Zar Alexander III. von Russland

Alexander_IIIZar Alexander III. von Russland war ein großer Mann. Sowohl in seiner Körpergröße, als auch charakterlich. In vielerlei Hinsicht war er das Sinnbild eines guten russischen Zaren. Seine massive, bärtige Erscheinung strahlte Stärke und Macht aus, aber unter dem beeindruckenden Äußeren befand sich ein bodenständiger Mann, ein gutherziger Familienmensch und ein Liebhaber der Musik.

In der heutigen Geschichtsschreibung ist es modern, ihn als Monarchen zu porträtieren, unter dem es keinen „Fortschritt“ gegeben habe. Das ist sehr unwahr. Alexander III. war vielmehr exakt der Zar, den Russland zu jener Zeit benötigte. Er hatte die schrecklichen Folgen abrupter sozialer Veränderungen gesehen und stieg im richtigen Moment vorsichtig auf die Bremse, um die Stabilität in Russland zu erhalten und eine geordnete Entwicklung in die Moderne zu erlauben.

In mehrerer Hinsicht war er reaktionärer als sein Vater, aber er unternahm auch Initiativen, wie sie noch kein Romanow-Zar vor ihm unternommen hatte. Er war ein Mann mit Charakter und Prinzipien und besaß eine wahre Verbundenheit mit seinem Land und dessen Menschen.

Kindheit und frühe Jahre

Der spätere Zar aller Russen wurde als Alexander Alexandrowitsch Romanov am 26. Februar 1845 in St. Petersburg geboren. Seine Eltern waren Alexander II. und Maria von Hesse-Darmstadt. Er war nicht der älteste Sohn und anfänglich gab es wenig Aussicht für ihn, einmal den Thron zu besteigen. Ganz traditionell erhielt er daher eine militärische Ausbildung, in der Annahme, er würde später Karriere in der Armee machen.

Alexander-Maria
Zar Alexander III. mit Ehefrau Maria

Doch im Jahr 1865 verstarb überraschend sein älterer Bruder Nikolai. Der junge Alexander wurde zum russischen Kronprinzen. Im folgenden Jahr heiratete er Prinzessin Dagmar von Dänemark, die zur Orthodoxie konvertierte und sich fortan Maria Fjodorowna nannte. Eigentlich war sie seinem Bruder Nikolai versprochen. Noch auf dem Sterbebett trotzte er Alexander das Versprechen ab, dass er sie an seiner statt heiraten würde.

Maria Fjodorowna war eine kleine zierliche Frau, die in starkem Kontrast zu ihrem 1,92 m großen Ehemann stand. Beide hätten sich nicht unähnlicher sein können. Sie war hübsch und grazil, er war breit und hochragend, sie war höflich und charmant, er war reserviert und manchmal schroff und hasste den Snobismus und die Oberflächlichkeit der Salongespräche.

Und dennoch hatten die beiden die glücklichste Ehe. Hatte sein Vater die eine oder andere außereheliche Liebschaft, so war dies bei Alexander III. ganz anders. Vermutlich wäre er schon vor dem Gedanken zurückgeschreckt. Das royale Ehepaar war einander ergeben und diese enge Bindung sollte bis zum Ende ihrer Tage bestehen bleiben.

Noch bevor er den Thron bestieg, sammelte Alexander wertvolle Erfahrung in administrativen und militärischen Aufgaben. Er nahm an Sitzungen des Ministerrates teil und diente im Russisch-Osmanischen Krieg 1877-1878. So erhielt er tiefe Einblicke in die Funktionsweisen des russischen Staats and die Verpflichtungen eines Monarchen. Zu jener Zeit wurde auch sein ältester Sohn geboren, der spätere letzte Zar Nikolai II.

Bombenattentat auf den Zaren

Am 01. März 1881 kam es schließlich zu einem Bombenattentat auf seinen Vater, Zar Alexander II., durch Angehörige der linksradikalen Organisation „Volkswille“. Der beliebte Zar verstarb in Folge des Anschlags. Plötzlich war Alexander gefordert – und Russland würde seinen Zaren Alexander III erhalten.

Schon einen Monat nach dem Anschlag veröffentlichte er ein Manifest, das er mit Hilfe des bekannten Monarchisten Konstantin Pobedonostsew verfasst hatte. In diesem Manifest betonte er unter dem Eindruck des Anschlags auf seinen Vater, dass er alles dafür geben werde, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Russland sei eine Monarchie, errichtet auf den Grundsätzen der orthodoxen Kirche. Dies werde er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen. Keine Angriffe darauf würden unbeantwortet bleiben.

1883: Der Zar zerstreut Gerüchte im Gespräch mit Dorfältesten
1883: Der Zar zerstreut Gerüchte im Gespräch mit Dorfältesten

In der Folge erhöhte Alexander III. die Macht von lokalen Behörden, um entschieden gegen Umstürzler vorzugehen. Er ließ revolutionäre Schriften konfiszieren und stärkte die „Ochrana“ (Охрана), die Geheimpolizei des Zaren. All dies ist wahr. Aber jene, die dem Zaren diese Dinge vorwerfen, vergessen in der Regel sich die andere Seite der Medaille anzusehen. Alexander III. sah seinen Vater zahlreiche liberale Reformen umsetzen – und wurde dafür in Stücke gebombt.

Wäre sein Vater von konservativen oder reaktionären Elementen getötet worden, könnte man Alexander III. Angst unterstellen. Aber nein, er wurde von Revolutionären getötet, für die der Zar seine Änderungen nicht schnell genug durchgeführt hatte.

Dies war für Alexander III. die zentrale Lehre aus der Regierungszeit seines Vaters. Er begriff das fehlerhafte Paradigma liberaler Revolutionäre und ihrer radikalen Verbündeten. In ihrem Wahn ein Paradies auf Erden zu errichten (das sie nie erreichen können) werden sie in ihren zwecklosen Anstrengungen immer radikalere Änderungen fordern, um das Unmögliche doch noch möglich zu machen. Gibt man einer ihrer Forderungen nach, werden sie nach mehr verlangen. Und noch mehr. Und noch mehr. Denn ihr endgültiges Ziel kann niemals erreicht werden. Alexander III. verstand dies und entschied sich früh dafür, dieses Spiel nicht mitzuspielen. Mehr noch, er beschloss diesen Leuten entschieden entgegen zu treten.

Innenpolitische Weiterentwicklungen

Dies bedeutete nicht, dass der junge Zar allen Veränderungen gegenüber verschlossen gewesen wäre. Er brach z.B. mit der konservativen Fraktion, als er 1889 ein neues lokales Amt einführte, das eine faire Auslegung des geltenden Rechts gegenüber der Landbevölkerung zu prüfen hate. Was Alexander III. bedingungslos bekämpfte, war die Revolution und Subversion – wie es jeder gute russische Zar tat. Für ihn galt der alte Grundsatz Nikolai I. „Orthodoxie, Autokratie, Nationalität“ (russ. Правосла́вие, самодержа́вие, наро́дность).

Dafür wurde er insbesondere posthum viel kritisiert. Insbesondere lastet man ihm eine Diskriminierung von Katholiken und Juden vor. Dabei tolerierte Alexander III. sehr wohl religiöse Minderheiten. Aber er machte klar, dass es das Russische Imperium war und nicht-orthodoxe Religionen keine Bekehrungen durchzuführen haben. Diese Doktrin war seinerzeit in fast jedem anderen Land üblich. Ob katholisch, protestantisch, muslimisch, buddhistisch usw. Die Kritik daran kam erst später auf, nämlich als man im Westen aufhörte seine Religion Ernst zu nehmen und auf einmal Russland für das eigene alte Verhalten kritisierte.

Auch in säkularen Fragen warf man Alexander III. gern Dinge wie „Reformstau“ und „Rückständigkeit“ vor. Was wiederrum unwahr ist. Denn er war nie gegen Veränderungen. Er war nur gegen Veränderungen, welche die „Seele Russlands“ bedrohten. Als Teil einer Reihe von Reformen zur Verbesserung der Wirtschaft schaffte er beispielsweise die „Seelensteuer“ Peter des Großen im Jahr 1887 ab. Er verringerte auch die Steuerlast der Landbevölkerung und führte Gesetze zum Schutz vor Kinderarbeit ein. Kinder unter 12 Jahren zu beschäftigen war demnach verboten, Kinder unter 15 Jahren durften nur eine festgelegte Zahl von Stunden arbeiten.

In den sich entwickelnden Fabriken Russlands existierte zwar kein Streikrecht, aber der Zar führte das Amt des Inspektors ein, der Fabriken im Land auf Einhaltung der Arbeitsbedingungen zu prüfen hat. Wie immer wurden nicht alle Regeln sofort umgesetzt oder eingehalten und die Bürokratie kann nicht jedes Problem lösen. Aber es zeigte auch, dass der Zar sich Gedanken um sein Land und seine Probleme machte und diese lösen wollte.

Er schützte ferner die eigene Industrie durch Zölle vor billigen ausländischen Wettbewerbern, baute Eisenbahnlinien und aus der negativen Handelsbilanz seines Vaters wurde unter seiner Regierungszeit ein Handelsbilanzüberschuss. Russland modernisierte sich nicht so schnell, wie sich dies manche wünschten, aber es modernisierte sich ohne Zweifel.

Der „sanfte Riese“ im Privatleben

Im Privatleben war der strenge, bestimmte Alexander das, was man einen „sanften Riesen“ nennt. Während er bei öffentlichen Anlässen oft eher reserviert auftrat, war er im Kreis seiner Familie ein lustiger und zu Scherzen aufgelegter Familienmensch. Statt großer Bankette zog es vor, mit der Dienerschaft ihr einfaches, bodenständiges Essen in der Küche zu teilen und Gäste mit seiner großen körperlichen Stärke zu unterhalten. Beispielsweise indem er Schürhaken bizarr verformte oder seine Frau in einer Hand und seine Schwägerin in der anderen Hand bis auf Schulterhöhe anhob.

Alexander liebte die Natur. Für ihn gab es nichts Schöneres, als ein Stück Brot und Wurst in einen Sack zu werfen und in die wilde russische Natur loszuziehen. Am heitersten war Alexander mit kleinen Kindern. Oft ging er mit ihnen zum Eislaufen. Nicht ohne aber vorher das Eis auf seine Tragfähigkeit zu testen. Dabei ging er auf das gefrorene Wasser hinaus, winkte seinen kleinen Zusehern zu und begann so fest er konnte auf das Eis einzutreten. Normalerweise brach er dann durch das Wasser ein und der Zar und die Kinder würden in großes Gelächter ausbrechen – was das Ziel seiner Bemühungen war.

Von allen seinen sechs Kindern war ihm Erzherzog Michail sein Liebstes. Traurigerweise war von seinem Erben Nikolai (der spätere Zar Nikolai II.) immer etwas enttäuscht. Er befürchtete, dass Nikolai die Stärke und der Willen zum Regieren fehlte. Doch statt Nikolai deshalb noch stärker auf den Thron vorzubereiten, zog er es vor, ihn nicht mit Staatsangelegenheiten zu belasten. Dies führte dazu, dass der spätere Nikolai II. recht unerfahren war, als er den Zaren-Thron bestieg.

Neue Bündnispolitik von Alexander III.

In der Außenpolitik übernahm Alexander III. eine sehr aktive Rolle. Dazu war er auch gezwungen, denn zu Beginn seiner Regentschaft stand Russland aufgrund der Balkankrise diplomatisch isoliert dar. Im Juni 1881 unterzeichnete er den Dreikaiserbund, der das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn und Russland für drei Jahre zu Neutralität verpflichtete, sollte ein Mitglied in Kriege verwickelt werden. Und es schrieb den Status Quo im Balkan fest. 1884 erneuerte der Zar den Bund, obwohl er das Deutsche Reich nicht ausstehen konnte. Doch 1887 verweigerte er eine erneute Zustimmung. Dies hatte mit stark gegensätzlichen Interessen zwischen Russland und Österreich-Ungarn im Balkan zu tun. Und der Zar wusste, dass Deutschland im Zweifelsfall zu Österreich-Ungarn halten würde.

Das Deutsche Reich wollte sich nicht zwischen beiden Verbündeten entscheiden müssen. Doch als der pro-österreichische Ferdinand aus dem Hause Coburg-Gotha für den Thron des wiedererstandenen Bulgarien erwählt wurde, war der Zar verärgert und verlangte, dass sich das Deutsche Reich für eine Seite entscheiden müsse: Österreich-Ungarn oder Russland.

Wenig überraschend entschied sich das Deutsche Reich für Österreich-Ungarn. Es wurden Bemühungen angestellt, einige Vereinbarungen zwischen Deutschland und Russland aufrecht zu erhalten, doch am Ende gab Kaiser Wilhelm II. auch dieses Vorhaben entnervt auf. Russland war auf der internationalen Bühne wieder alleine, ohne Bündnispartner.

Das Resultat waren Verhandlungen und schließlich die Unterzeichnung eines der schockierendsten Bündnisse aller Zeiten. 1894 wurde Russland formell ein Verbündeter der Französischen Dritten Republik. Einige hatten schon lange dafür plädiert, war Frankreich doch mit großen Investitionen in Russland beteiligt. Doch mit dem neuen Bündnis erklärte sich Russland bereit, Frankreich beizustehen, sollten sie vom Deutschen Reich angegriffen werden. Das Gleiche galt natürlich umgekehrt auch für Russland.

Heutige Historiker weisen viel zu wenig darauf hin, was für ein verblüffendes Bündnis dies war. Die autokratische, tiefreligiösee absolute Monarchie Russlands tat sich mit Frankreich, der liberalsten, antiklerikalsten und revolutionärsten Republik Europas zusammen. Und beide schworen sich im Kriegsfall die Treue.

Sieht man auf die damaligen Spannung Russlands mit Großbritannien, so war Frankreich tatsächlich die einzig verbliebene Bündnisoption. Dennoch war es eine schockierende Wende des Schicksals. Frankreich war damals eine derart fanatische republikanische Gesellschaft, dass sogar das liberale Königreich Italien es als eine Bedrohung und Quelle subversiven Verhaltens einstufte. In Russland war es bis dato verboten, die französische Nationalhymne „La Marseillaise“ zu singen, feierte das revolutionäre Liedgut doch die gewaltsame Rebellion.

Ob dieses Bündnis letztendlich zum Vorteil Russlands war, ist bis heute Gegenstand hitziger Debatten. Mit Ausbruch des 1. Weltkriegs würde das Bündnis seine Wirkung entfachen. Und während Russland davon profitierte, dass Deutschland an zwei Fronten kämpfen musste, so reichte es nicht das Russische Imperium zu schützen. Mehr noch, die Französische Republik war alles andere als betrübt, dass russische Imperium 1917 fallen zu sehen.

Doch all dies war noch viele Jahre in der Zukunft. Während der Herrschaft Zar Alexander III. gab es keinerlei Anzeichen von Verfall. Trotz einiger Rückschläge, die sich der Kontrolle des Zaren entzogen (z.B. eine schreckliche Missernte mit Hungersnot) war die Regentschaft des Zaren eine erfolgreiche. Auf dem Balkan war der Einfluss zwar nicht vergrößert worden, doch in Ost- und Zentralasien war Russland weiter auf dem Vormarsch. Dies war der Grund für die schlechten Beziehungen mit Großbritannien.

Mit der Ausbreitung der russischen Grenzen bis nach Afghanistan begannen sich die Briten ernsthafte Sorgen um ihr indisches Imperium zu machen. 1885 brachen Feindseligkeiten zwischen Russen und Afghanen aus und viele sorgten sich, dass nun auch Großbritannien in den Konflikt hineinstossen werde. Doch glücklicherweise wurde eine diplomatische Lösung gefunden. Alexander III. wollte zwar den russischen Einfluss vergrößern, doch er war kein Kriegstreiber und er wusste, dass sich Russland auf die Verbesserung der eigenen Wirtschaft und Lebensbedingungen konzentrieren musste, statt sich in ungewisse militärische Abenteuer zu verstricken.

Ein Vertrag mit China sicherte Russland einen Fuß in der Tür Turkestans und die Konstruktion der Trans-Sibirischen Eisenbahn begann. Letztere würde sich für die weitere Entwicklung des Imperium als ungeheuer wichtig erweisen.

Der verunglückte Zarenzug nahe Borki
Der verunglückte Zarenzug

Im Jahr 1888 kam es nahe der Stadt Borki zu einem ungeklärten Eisenbahnunglück. Der Zug der Zarenfamilie entgleiste und stürzte in Teilen einen Abhang hinunter. Bis Hilfe eintraf, stemmte der Zar alleine das einstürzende Dach des Speisewagens und rettete damit das Leben seiner Frau und Kinder. Es war der beeindruckendste Beweis seiner Stärke. Alle konnten gerettet werden. Doch danach war der Zar nicht mehr der gleiche, er litt anschließend zunehmend unter schrecklichen Rückenschmerzen und kränkelte öfter.

Ärzte stellten bei ihm Nierenprobleme (Nephritis) fest, doch zum Zeitpunkt der Diagnose war es für eine Heilung bereits zu spät. Er starb am 20. Oktober 1894 im Liwadija-Palast auf der Krim, umgeben von seiner hingebungsvollen Ehefrau und den Kindern, als der Patriarch, der er war.

Zar Alexander III. war kein perfekter Mann und behauptete dies auch nie zu sein. Sein größter Fehler war – aus heutiger Sicht – seinen ältesten Sohn Nikolai zu unterschätzen und ihn nicht mehr auf seine Aufgabe vorzubereiten. Seine Beziehung mit Michail war wesentlich stärker.

Letztes Familienfoto 1893
Letztes Familienfoto 1893

Auf der anderen Seite schaffte er es Russland nach dem schockierenden Zarenmord zu stabilisieren und etliche Dinge zu verbessern und weiter zu entwickeln. Er war ein sehr bodenständiger Mann, aber nicht naiv oder dplump. Und er war ein Förderer der Musik. Er spielte sogar selbst Musik und oft würde er bei Festlichkeiten gemeinsam eine Runde mit den engagierten Musikern spielen. Er war ein ergebener Ehemann und ein aufrechter Mann. Streng, wenn es nötig war, aber niemals gemein oder grausam. Alles in allem war Alexander III. ein großartiger Zar.

König Norodom Sihanouk von Kambodscha

Norodom_Sihanouk_1983Wenn es in Südostasien über Jahrzehnte eine Konstante in der Politik gab, dann waren es die beiden Könige Bhumibol von Thailand und Norodom Sihanouk von Kambodscha.

Sihanouk war während seines Lebens Prinz und Thronanwärter, Politiker, kommunistischer Frontmann und König einer konstitutionellen Monarchie. Er überlebte mehrere Kriege, wurde abgesetzt, wurde zum Tode verurteilt, war – zumindest nominell – ein Guerillakämpfer, ein Gefangener in seinem eigenen Land und symbolisierte zu verschiedenen Zeiten ein altes, traditionelles Kambodscha, einen blutigen kommunistischen Sklavenstaat oder eine Demokratie. Er hält bis heute den Weltrekord als Politiker mit den meisten Positionen in seiner Karriere. Er war die Vaterfigur der einzigen südostasiatischen Monarchie, die nach dem Sturz durch die Kommunisten letztlich wiederhergestellt wurde. Es ist die Geschichte des bewunderten, verdammten, kontroversen und einzigartigen König Norodom Sihanouk von Kambodscha.

Norodom Sihanouk 1959
Norodom Sihanouk im Jahr 1959

Geboren wurde er als Sohn von König Norodom Suramarit und Königin Sisowath Kosawak von Kamboscha am 31. Oktober 1922. In der Khmer Hauptstadt Phnom Penh (die Khmer sind das ethnisch dominante Volk Kambodschas) und im vietnamesischen Saigon (heute: Ho-Chi-Minh-Stadt) bildete sich der junge Prinz Sihanouk. Später absolvierte er in Frankreich ein Militärtraining. Damals ein klassischer Bildungsweg für Prinzen aus Indochina.

Die gesamte Region Indochina (heute: Kambodscha, Laos, Vietnam) war damals französische Kolonie. Entgegen der landläufigen Meinung ging es Kambodscha unter der französischen Kontrolle gut. Insbesondere im Vergleich zu dem, was später noch folgen würde. Die königliche Familie Kambodschas war sogar reicher als die imperiale Familie Vietnams, unter deren Kontrolle Kambodscha nominell lag.

Thronbesteigung mit nur 19 Jahren

Sihanouk war gerade erst 19 Jahre alt, als sein Großvater König Sisowath Monivong verstarb und er zum neuen König von Kambodscha ausgerufen wurde. Dies war im Jahr 1941, einem denkbar schlechten Zeitpunkt, um als junger und unerfahrener Monarch den Thron zu besteigen. Brach in Ostasien doch gerade der 2. Weltkrieg los.

1941: Einmarsch japanischer Truppen in Saigon
1941: Einmarsch japanischer Truppen in Saigon

1940

Der junge König Sihanouk, obwohl zeitlebens immer etwas frankophil veranlagt, verlangte entsprechend der nationalistischen Grundstimmung jener Tage nach Unabhängigkeit Kambodschas von Frankreich. Dies ging Hand in Hand mit den Interessen des immer dominanteren Japans, das ganz Indochina nach der Niederlage Frankreichs in Europa besetzte.

1945 erklärte sich Kambodscha – unter japanischer Schirmherrschaft – sogar für unabhängig, doch dieses Kapital endete mit der kurz darauf erklärten Kapitulation Japans. Im gleichen Jahr dankte der Kaiser von Vietnam zugunsten der Kommunisten ab und im benachbarten Laos spitzte sich die Lage ebenfalls zu. Sihanouk befürchtete ein Übergreifen auf sein Land, sollte es nicht die Unabhängigkeit erlangen.

Er ging im Mai 1953 ins Exil nach Thailand und gab – publikumswirksam – zu verstehen, dass er nicht zurückkehren werde, ehe Frankreich sein Kambodscha nicht in die Unabhängigkeit entlasse. Frankreich stimmte dem im November zu und Norodom Sihanouk kehrte zurück. Er blieb allerdings nicht lange auf dem Thron.

Regieren, nicht nur repräsentieren

Nachdem er die Bühne der Politik betreten hatte, wollte Sihanouk nun mehr. Er wollte direkt die Geschicke seines Volkes lenken. Er übergab 1955 den Thron an seinen Vater, König Norodom Suramarit und wurde selbst zum ersten Premierminister des neuen, unabhängigen kambodschanischen Königreichs. Als sein Vater 1960 starb, wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt, doch blieb er immernoch Prinz Norodom Sihanouk. Drei Jahre später änderte er die Verfassung ab, so dass er zeitlebens regieren könne.

Sihanouk war extrem populär bei der Landbevölkerung. Diese Menschen lebten ein einfaches, aber zufriedenes Leben. Sie waren sehr religiöse Menschen und brachten ihm tiefe Verehrung entgegen. Teilweise wurde ihm sogar eine gute Reisernte und gutes Wetter zugeschrieben. Der Publizist Peter Scholl-Latour beschrieb das von ihm seinerzeit bereiste Kambodscha unter Prinz Sihanouk mehrmals (u.a. in seinem Besteller „Der Tod im Reisfeld“) als jenes Land, dass für ihn dem irdischen Abbild des biblischen Paradieses am Nächsten käme.

Innerhalb der Palastmauern gab es allerdings auch noch einen anderen Sihanouk. Dieser hatte sich insbesondere in jungen Jahren einen Ruf als Playboy erworben. Während seines Lebens sollte er sieben Frauen haben – auch wenn er am Ende doch immer mit seiner Frau Königin Monineath zusammenbleiben würde und die beiden zwei Söhne haben sollten.

Als filmbegeisterter Regisseur drehte er zudem einige Filme, meist mit Fokus auf die glorreiche kambodschanische Geschichte. Sein Werk „Ombre sur Angkor“ aus dem Jahr 1968 hatte fast prophetischen Charakter, handelte es doch von einem fiktiven putschenden General mit CIA-Unterstützung.

Sihanouk trat in der Öffentlichkeit stets bescheiden, freundlich und nahbar auf. Mit dieser Art kam er überall gut an. Er knüpfte gute Beziehungen mit dem französischen Präsidenten Charles DeGaulle und sogar dem Vorsitzenden Mao Zedong des kommunistischen China. Berührungsängste mit Kommunisten hatte er keine. Er besuchte die Sowjetunion und verbrachte sogar Zeit in Nordkorea. Diese Verbindungen mit dem internationalen Kommunismus würden sich später als wichtig erweisen. Als die USA ihr Engagement in Vietnam verstärkten, war Prinz Sihanouk einer der ärgsten Kritiker. Er sah das Selbstbestimmungsrecht der Völker mit Füßen getreten und befürchtete ein Übergreifen des Konfliktes auf sein Land. Und er sollte Recht behalten.

Die Roten Khmer formieren sich

Während Prinz Sihanouk die Auslandsbeziehungen festigte, begannen sich im kambodschanischen Hinterland kommunistische Truppen, die Khmer Rouge („rote Khmer“) zu sammeln. Ihr Vorbild war der Vietcong im benachbarten Vietnam, auch wenn es erhebliche ideologische Unterschiede gab. Die Khmer Rouge wuchsen nur sehr langsam, da insbesondere die Landbevölkerung dem Prinzen Sihanouk gegenüber sehr loyal war. Obwohl sie materiall ärmlich lebten, waren die Menschen zufrieden mit ihrem friedlichen Leben.

Zunächst beachtete Sihanouk die Khmer Rouge nicht viel, war er doch vollauf damit beschäftigt, sein Land aus den Streitigkeiten zwischen der Sowjetunion, China und den USA herauszuhalten. Er verurteile mehrmals öffentlich die amerikanische Aggression in Vietnam.

Als die First Lady Jackie Kennedy 1967 zu einem Staatsbesuch eintraf, präsentierte er sich als exzellenter Gastgeber. Was ihn aber nicht abhielt, dennoch öffentlich die USA für die Verletzung der Selbstbestimmungsrechte Vietnams anzuklagen, da sie den Südvietnamesen im Kampf gegen die Kommunisten halfen. Der US-Regierung war Sihanouk durch seine strikt neutrale Haltung zunehmend ein Dorn im Auge.

Kambodscha wird in den Konflikt gezogen

Im Jahr 1969 begannen die USA mit geheimen Bombardierungen des Vietcong und der Nordvietnamesischen Armee in ihren Verstecken an der Grenze zu Kambodscha. Die Vietnamesen nutzten die Neutralität Kambodschas aus und verlegten ihre Stellungen häufig in das Reich Prinz Sihanouks. In der Dschungelregion waren Grenzübertritte ohnehin nicht zu kontrollieren. Sihanouk wurde über die US-Bombardierungen an den Grenzen seines Landes nicht informiert. Er war entsetzt über Berichte von US-Kampfbombern, die über sein Land donnerten. US-Geheimdienstkreise begannen ab diesem Zeitpunkt Kontakte zu US-freundlicheren Persönlichkeiten in Kambodscha herzustellen, die gegen die strikte Neutralitätspolitik von Prinz Sihanouk waren.

In der Hauptstadt Phnom Penh kam es schließlich zu Protesten gegen die „vietnamesischen Dschungellager“. Es wurde für eine Unterstützung der USA demonstriert. Als Prinz Sihanouk darauf angesprochen wurde, zweifelte er die Ernsthaftigkeit der Demonstranten an. Diese Leute würden nur Geld von den USA wollen, aber die Zukunft ihres Landes sei ihnen egal. Überliefert ist sein Ausspruch, wonach diese Leute „Dollar-Patrioten statt kambodschanischen Patrioten“ seien.

Der Staatsstreich des General Lon Nol

Präsident von U.S. Gnaden - General Lon Nol
Präsident von U.S. Gnaden – General Lon Nol

Nichtsdestotrotz, die Situation wurde zunehmend ernster und es formierten sich politische Lager auf Konfrontationskurs. Als Prinz Sihanouk zu einer Staatsreise durch Europa, der Sowjetunion und China antrat, schlugen seine Feinde zu.

Der frühere Premierminister General Lon Nol führte einen Staatsstreich durch und erklärte Norodom Sihanouk für abgesetzt. Er wurde in Abwesendheit zum Tode verurteilt.

Lon Nol änderte allerdings nicht die Staatsform ab und zum Stellvertreter ernannte er einen Prinzen der königlichen Familie, der ein entschiedenes Vorgehen gegen die Kommunisten versprach. Sofort traf US-Unterstützung ein, um das neue Regime zu stabilisieren. Kambodscha war in die Fänge der südostasiatischen Bürgerkriege geraten – mit verheerenden Wirkungen für das kleine Land.

Sihanouk in China mit Mao (links) und anderen Funktionären
Sihanouk in China mit Mao (links) und anderen Funktionären

Während all dies geschah, befand sich Prinz Sihanouk gerade in China auf Staatsbesuch. Die Nachricht traf den sonst so selbstsicheren Sihanouk hart. Damit hatte er nicht gerechnet. Emotional hochgeladen verurteilte er die Aktion Lon Nols und rief zum erbitterten Widerstand gegen das neue Regime auf.

Sihanouk erklärte sich zum Chef einer Exilregierung in Peking. Was dann folgte, war die vermeintlich schwerwiegendste Entscheidung seines Lebens – er hielt eine Radioansprache an sein Volk und forderte sie auf, in den Dschungel zu gehen und sich den roten Khmer anzuschliessen, um das Lon Nol Regime zu bekämpfen. Dies erst gab der kommunistischen Guerilla die Verstärkung, die sie für Angriffe auf das Regime benötigte. Die Lon Nol Putschisten in Phnom Penh begannen ihrerseits mit einer Offensive gegen die Khmer Rouge und setzten das eilig herbeigeschaffte US-Militärgerät ein. Beide Seiten bekämpften sich verbissen und beide Seiten verübten Gräueltaten an jeweiligen der Gegenseite. Doch der blutige Bürgerkrieg hatte gerade erst begonnen.

Die Neutralität Kambodschas war nun dahin: Die Armee Südvietnams übertrat die kambodschanische Grenze und bekämpfte kommunistische Lager von dort. In einer kontroversen Entscheidung autorisierte US-Präsident Nixon den Einfall von US-Truppen entlang der kambodschanischen Grenze, um dort Lager des Vietcong und Nordvietnams anzugreifen. Prinz Sihanouk musste all dem von seinem Exil in Peking aus zusehen. Doch er versprach so lange zu kämpfen, bis er auf dem Thron wieder hergestellt sein würde.

Im Oktober 1970 unternahm General Lon Nol den letzten symbolischen Akt und schaffte die uralte Khmer Monarchie offiziell ab. An ihre Stelle trat eine Republik Kambodscha. Doch das Land glitt immer mehr ins Chaos ab, die frühen Jahre des Friedens und Wohlstands unter Prinz Sihanouk waren dahin. In den Dörfer und auf dem Land war Prinz Sihanouks Popularität ungebrochen und auch in den Städten fanden sich zum Ärger des neuen Regimes immer wieder unterstützende Slogans an den Häuserwänden.

Der Krieg wurde immer mehr zum Alltag in Kambodscha. Im Jahr 1971 unternahm die nordvietnamesische Luftwaffe einen Angriff auf Phnom Penh und zerstörte dabei die kambodschanische Luftwaffe vollständig. Die USA reagierten darauf mit noch mehr Unterstützung für Lon Nol. Es war ihre Luftunterstützung und ihre Dollar, die Lon Nol an der Macht hielten. Als die südvietnamesische Armee im Frühjahr 1971 zu ihrem erfolglosen Angriff auf die Nachschubpfade des Vietcong (sog. „Ho-Chi-Minh-Pfad“) ansetzte, wurde auch das bis dahin neutrale Königreich Laos in den Konflikt hineingezogen. Plötzlich war das gesamte Indochina ein Flächenbrand geworden und es schien keinen dritten Weg mehr zu geben. Entweder man war mit den Amerikanern oder mit den Kommunisten.

Geheime Rückkehr nach Kambodscha

Die Khmer Rouge freuten sich über die Verstärkung, als Prinz Sihanouk 1973 über Dschungelpfade des Khmer Rouge nach Kambodscha zurückkehrte. Alle kommunistischen Medien der Welt zeigten ein Video, in dem Sihanouk die Führer der Khmer Rouge dankbar umarmte. Darunter auch einen mit Namen Saloth Sar, später besser bekannt unter dem Namen Pol Pot.

Doch Norodom Sihanouk war kein Idiot. Er wusste die Schmeicheleien der Khmer Rouge ihm gegenüber einzuordnen. Ihm war bewußt, dass er für sie nur ein Strohmann wäre. Er gab einmal zu, dass „wenn sie die Macht erlangen, werden sie mich wie einen Kirschkern ausspucken„.

Auch die roten Khmer verstanden die Situation und trainierten ihre Führungskader darin, Prinz Sihanouk unter keinen Umständen zu glauben. Sie wussten, dass die Bevölkerung an ihn glaubte und deshalb war es wichtig ihn als Frontmann zu behalten, aber die Partei würde ihm niemals vertrauen. Denn im Herzen seien Sihanouk und die Revolution unversöhnliche Feinde.

Und ihre Taktik den Prinzen als Aushängeschild zu nutzen funktionierte prima. Dank der Unterstützung Sihanouks wuchsen die Khmer Rouge in nur drei Jahren von 3.000 versprengten Guerillas auf eine Armee von 60.000 Männern.

Die Khmer Rouge auf dem Weg zur Macht

Im Jahr 1973 verstärkten die USA ihre Bombardierungen. Die roten Khmer nutzten dies propagandistisch geschickt, um die Bevölkerung gegen Lon Nol aufzuhetzen. Wenn man sich nicht den Khmer Rouge anschließe, würden die USA das gesamte Land zerstören. In jenem Juli 1973 kamen die geheimen Bombardierungen Kambodschas schließlich in den USA an die Öffentlichkeit. Vier Jahre nachdem man sie gestartet hatte. Der US-Kongress war außer sich, so lange von Nixon hintergangen worden zu sein und es wurde eine Anklage gegen ihn gefordert. Die Bombardierungen wurden daraufhin – ebenso wie die Hilfen für Lon Nol – eingestellt.

Mit dem Neujahr 1975 begannen daraufhin die auf 80.000 Soldaten angewachsenen Khmer Rouge ihre Offensive gegen die Hauptstadt Phnom Penh. Die belagerte Stadt wurde mit Raketen und Artillerie beschossen. In der Stadt herrschte Chaos. Über zwei Millionen Flüchtlinge säumten die Straßen, die vor amerikanischen Bomben und Khmer Rouge Angriffen geflüchtet waren. Alle Verbindungen nach außen waren abgeschnitten, Hunger und Krankheiten begannen sich in der belagerten Stadt auszubreiten.

Offiziell durfte das US-Militär aufgrund von Beschränkungen des Kongresses nicht eingreifen. Um dieses Verbot zu umgehen, charterte man zivile Flugzeuge und flog damit unter Flakfeuer der Kommunisten Essen und Munition nach Phnom Penh. Doch konnte dies niemals ausreichen, um die ganze Stadt zu ernähren. Auch der Fluss Mekong war eine Lebensader und brachte lebenswichtigen Nachschub. Nach 2-3 Monaten waren jedoch die Mehrzahl der Boote vom Khmer Rouge versenkt worden und Nachschub kam immer spärlicher.

Der Beschuss der Stadt durch die Kommunisten ging weiter. Und die Versorgungslage drinnen spitzte sich immer stärker zu. Es gibt bestätigte Berichte, wonach Truppen Lon Nols in einem Abschnitt sogar Menschenfleisch von Toten aßen, um zu überleben. Die Verluste schossen in die Höhe und die medizinischen Einrichtungen waren bald überfordert. Lon Nols Armee hatte weniger als 20 Chirurgen und ausländische Ärzte flogen in die Stadt, um die humanitäre Katastrophe zu lindern.

Sturz Lon Nols und Machtübernahme der Khmer Rouge

Am 01. April 1975 forderten die USA General Lon Nol zum Verlassen der Stadt auf. Man hoffte, sich auf diese Weise mit Prinz Sihanouk einigen zu können. Doch Sihanouk war nicht derjenige, der die Entscheidungen fällte. Und die Khmer Rouge hatten kein Verlangen nach Verhandlungen, wo der Sieg doch so nahe war. Sie verstanden das Verhandlungsangebot als Zeichen dafür, dass das Lon Nol Regime kurz vor dem Zusammenbruch stand. Statt darauf einzugehen, publizierten sie Todeslisten mit Namen all jener, die hingerichtet werden würden, sobald sie die Macht hätten. Natürlich bedienten sich die Kommunisten auch hier der Unterschrift des beliebten Norodom Sihanouk.

Die Einschätzung der Kommunisten bezüglich des Zusammenbruchs der Lon Nol Regierung war korrekt und am 12. April begannen die USA damit, ihr Personal mit Hubschraubern zu evakuieren. Weniger als eine Woche später wurde der Flughafen von Khmer Rouge erobert und am Tag darauf marschierten sie in Phnom Penh ein.

Wie so oft nach kommunistischen Umstürzen riefen auch die roten Khmer zuerst zur Versöhnung auf. Angehörige des Lon Nol Regimes wurden zur Zusammenarbeit aufgerufen, um gemeinsam Kambodscha neu zu errichten. Diejenigen, die naiv genug waren sich melden, wurden alle bis auf den letzten Mann massakriert.

Um letzte Widerstände zu zerstreuen, verkündeten die Khmer Rouge, dass die Amerikaner die gesamte Stadt mit einer massiven Bombardierung zerstören wollten. Was eine Lüge war, zumal die Amerikaner zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Pläne einer Bombardierung in Kambodscha mehr hatten.

Binnen zwei Tagen wurde Phnom Penh vollständig evakuiiert. Sie wurde zur Geisterstadt. Die Khmer Rouge hatten gewonnen, das Land gehörte nun ihnen und sie waren jetzt bereit, ihren Kommunismus eines ländlichen Utopia umzusetzen. Auch wenn sie am Ende alles Prinz Sihanouk zu verdanken hatten.

Die neuen Machthaber mussten sich nun nur noch des Monarchen entledigen. Dieser verblieb nominell als Staatsoberhaupt, doch die Entscheidungen traf allein Pol Pot.

Die Diktatur der Khmer Rouge entsteht

Emblem des Demokratischen Kampuchea
Emblem des Demokratischen Kampuchea

Als erstes wurde der Name des Landes offiziell in „Demokratisches Kampuchea“ abgeändert. Der Öffentliche Dienst wurde ersatzlos abgeschafft. Ebenso wie die Währung und alle Klassenunterschiede. Pol Pot errichtete nicht, wie die meisten Kommunisten, einen Kult um seine Person. Er blieb eine ungesehene Figur im Schatten, den meisten Kambodschanern nur bekannt als „Bruder Nr. 1“.

Die Städte mussten verlassen werden und die gesamte Bevölkerung wurde zwangsweise auf das Land umgesiedelt, um dort in den Reisfeldern zu arbeiten. Pol Pot wollte eine Nation von gleichen Kleinbauern, ohne irgendeinen Unterschied. Buddhistische Mönche wurden massakriert, so wie alle Menschen mit höherer Bildung. Es sollte keine „intellektuelle Elite“ mehr geben.

Wer spezielle Zuneigung zu seiner Frau oder Kindern oder Eltern zeigte wurde exekutiert – im neuen Kampuchea waren alle Menschen Brüder und Schwestern. Wer eine Brille trug wurde getötet, wer Fremdsprachen kannte wurde getötet, wer die Regierung kritisierte oder irgendwelche Beziehungen mit dem Ausland pflegte, wurde getötet. Kranke oder Behinderte wurden ebenfalls getötet. Alle ausländischen Minderheiten wurden getötet. Viele, viele mehr verhungerten jämmerlich oder starben an den Folgen der harten Landarbeit.

Am 4. April 1976, weniger als ein Jahr nach der Machtübernahme, wurde Prinz Sihanouk offiziell als Staatsoberhaupt entfernt und mit dem Rest der königlichen Familie im Palast unter Hausarrest gestellt. So wie Sihanouk dies erwartet hatte. Sieht man sich die Vorkommnisse im Land an, so muss es als glückliche Fügung gesehen werden, dass er überhaupt am Leben blieb. Einige seiner Kinder und Enkel hatten dieses Glück nicht.

In Phnom Penh richteten die roten Khmer ihr berüchtigtes Foltergefängnis in Toul Sleng ein, dass unter dem Namen „S-21“ bekannt wurde. Hier wurden ganze Horden von Kambodschanern gefoltert, bevor man sie zu den Killing Fields brachte und dort zu Tode prügelte oder lebendig begrub.

Pol Pot hatte gleich in mehrerer Hinsicht den reinsten und unverfälschtesten kommunistischen Staat aller Revolutionen erschaffen. Das Ziel von Pol Pots Agrarsozialismus war Kambodscha in eine sozialistische Variante des alten mystischen Khmerreichs zu transformieren. Mit ihm in der Rolle der alten Hindu Götterkönige. Das Resultat war einer der schlimmsten Genozide der Menschheitsgeschichte mit über zwei Millionen getöteten Kambodschanern – etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung.

Prinz Sihanouk saß derweil in Gefangenschaft in seinem Palast und musste zusehen, wie seine Leute von jenen gemeuchelt wurden, denen er zur Macht verholfen hatte. Ihn wollten sich die kommunistischen Machthaber offenbar als nützlichen Joker bewahren. Nur dies erklärt, warum er nicht auch schon nach S-21 gekommen war.

Die Invasion Vietnams beendet das Massaker

Paradoxerweise waren es andere Kommunisten, die das Massaker beendeten. Die Khmer Rouge waren ein Verbündeter des kommunistischen China. Nachdem die Beziehungen zwischen den beiden kommunistischen Staaten China und Vietnam offen feindselig wurden, fielen die Vietnamesen mit ihrer Armee in Kambodscha ein.

Die Khmer Rouge erinnerten sich plötzlich Sihanouks und sandten den früheren Monarchen zur UN-Versammlung nach New York, wo er gegen die vietnamesische Invasion protestieren sollte. Er kehrte nicht mehr zurück. Doch statt in den USA zu bleiben, wie man ihm nahelegte, kehrte er nach Peking zurück. Er distanzierte sich von Pol Pot und seinen Massakern, erklärte sich jedoch bereit, mit Teilen der Khmer Rouge zusammenzuarbeiten, um die vietnamesischen Invasoren zurückzuschlagen. Währenddessen brachten die Vietnamesen große Teile Kambodschas unter ihre Gewalt und die Khmer Rouge unter Pol Pot flüchteten zurück in ihre Verstecke im Dschungel.

Die Zeit nach den roten Khmer

Im Jahr 1982 wurde Sihanouk Präsident der Koalitionsregierung des Demokratischen Kampucheas unter Einbeziehung von Repräsentanten seiner Funcinpec Partei, der Nationalen Befreiungsfront (später die politische Partei der Buddhisten) und der Khmer Rouge. Diese Gruppe der roten Khmer war, anders als jene unter Pol Pot, zur internationalen Zusammenarbeit bereit und hatte auch keine Einwände gegen UN-Truppen zur Stabilisierung der Lage im Land.

1988: Sihanouk trifft US-Präsident Reagan
1988: Sihanouk trifft US-Präsident Reagan

Als international der Druck auf Vietnam immer stärker zunahm, zog es seine Armee offiziell ab. Man hinterließ das Marionettenregime des ehemaligen Khmer Rouge Hun Sen, das sich fortan „Volksrepublik Kampuchea“ nannte. Schon nach kurzer Zeit wurden Verhandlungen zwischen Hun Sen und Sihanouks Koalition aufgenommen und 1991 ein Abkommen unterzeichnet.

Norodom Sihanouk kehrte im November in sein Land zurück und bereitete nationale Wahlen vor, um die künftige Staatsform des befreiten Kambodschas zu bestimmen. Pol Pot blieb im Dschungel verschollen und spielte politisch keine Rolle mehr, nur gelegentlich hörte man von Überfällen der Roten Khmer in der Dschungelregion.

Die Wahlen brachten den Sieg der königlichen Partei, doch der Kommunist Hun Sen blieb aufgrund des bleibenden vietnamesischen Einflusses die stärkste Macht im Land. Nach dem Wahlsieg der royalistischen Partei Sihanouks wurde die Monarchie offiziell wiederhergestellt und Norodom Sihanouk zum König Kambodschas.

Mit dieser neuen konstitutionellen Monarchie konnte offensichtlich jeder in Kambodscha gut leben. Die meisten Menschen fühlten sich aufgrund der Präsenz von Norodom Sihanouk auf dem Thron wohl und die Kommunisten und ihre vietnamesischen Verbündeten blieben ruhig, so lange Hun Sen die wahre Macht ausüben konnte.

Sihanouk begann mit einem sich verschlechternden Gesundheitszustand zu kämpfen und sein Ruf in der Welt erlitt ernsthaften Schaden. In seinen frühen Tagen war er eine angesehene Persönlichkeit für seinen Einsatz für kambodschanische Unabhängigkeit und friedliche Neutralität des Landes. Doch als seine geheimen Abkommen mit den Khmer Rouge herauskamen, wurde auch er mit ihren Gräueltaten in Verbindung gebracht. Auch wenn er nun das Gesicht eines neuen liberalen Königreichs Kambodscha war.

Sein Land stand jedoch vor unüberwindbaren Problemen. Es gab praktisch kaum Kambodschaner mit höherer Bildung mehr. Sie waren alle von den roten Khmer getötet worden. Es gab keine Lehrer, Wissenschaftler, Juristen, Richter, Mönche oder sogar Mechaniker. Das ganze Land war durch den Bürgerkrieg übersäht mit Landminen, die jährlich viele Opfer (insbesondere Kinder) forderten. Dinge wie das Transportwesen, Kommunikation, Bildung und Gesundheitswesen existierten praktisch nicht. Das Land stand am Nullpunkt.

Der König im neuen Kambodscha

Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands befand sich König Sihanouk oft in China zur medizinischen Behandlung. Doch er blieb eine dominante Figur im nationalen Leben. Selbst einfache Leute, die ihn im Palast besuchen wollten, wurden niemals weggeschickt.

Er betrieb auch eine Webseite, die zeitweise die meistgelesene Webseite in Kambodscha war. Anders als konstitutionelle Monarchen im Westen, hielt er mit seiner Meinung zu verschiedenen Dingen nie zurück. Sein Wort hatte Gewicht. Doch selbst seine größten Anhänger waren geschockt, als er offen dafür plädierte, Homosexuellen die Heirat zu erlauben, obwohl es im buddhistischen Kambodscha nicht gerade viel Bedarf dafür gab

Er stand oft im Konflikt mit der Regierung und ging 2004 für einige Zeit ins Exil nach China, um gegen die unterdrückerischen Maßnahmen des Hun Sen Regime und die Machtkämpfe der Parteien untereinander zu protestieren. Im Oktober 2004 schockierte er seine Landsmänner mit der Ankündigung seiner Abdankung, was kambodschanische Amtsträger unter Zuzwang setzte, schnell einen würdigen Ersatz zu finden.

Eine Woche später wurde sein Sohn Prinz Norodom Sihamoni zum neuen König gewählt, auch wenn sein Vater viel seiner alten Macht als „König-Vater“ beibehielt. Er ist bis heute eine weit respektierte und angesehene Figur in Kambodscha, auch wenn seine Bedeutung von der nachfolgenden Generation schon nicht mehr so stark gesehen wurde.

In der Weltöffentlichkeit blieb er eine kontroverse Figur. Von einigen bewundert, von anderen verachtet. Niemand kann jedoch umhin, sein politisches Talent und seine Überlebensfähigkeit anzuerkennen. Einige schreiben dies seiner Voraussicht zu, andere einem Mangel an Prinzipien.

Was auch immer der Fall ist, er war die dominanteste Figur in der kambodschanischen Politik und Südostasiens seit Ende des 2. Weltkriegs . Er sah sein Land in guten, friedlichen Zeiten ebenso wie in schlechten Zeiten und es wird noch einige Jahre dauern, ehe man abschließend im Nachgang sein Wirken beurteilen kann.

Trauerzug zur Beerdigung Norodom Sihanouks
Trauerzug zur Beerdigung Norodom Sihanouks

Seine initiale Unterstützung der Khmer Rouge wird viele Leute dazu veranlassen, ihn für immer als einen Bösewicht zu sehen. Doch unter seinen eigenen Leuten wird er vermutlich als einer der großen Könige in ihrer langen Geschichte gesehen werden, ob berechtigt oder auch nicht.

Nach langem Kampf gegen seinen sich verschlechternden Gesundheitszustand verstarb König-Vater Norodom Sihanouk am 14. Oktober 2012 in Peking im Alter von 89 Jahren.

König Luis I. von Portugal

Dom_luís_ISeine königliche Hohheit Prinz Luis Filipe Maria Fernando Pedro de Alcantara Antonio Miguel Rafael Gabriel Gonzaga Xavier Francisco de Assis Joao Augusto Julio Valfando de Saxe-Coburgo-Gotha e Braganza wurde am 31. Oktober 1838 in Lissabon geboren. Er war der zweite Sohn von Königin Maria II. und König Fernando II. von Portugal und erhielt den Titel Herzog von Porto.

Sein älterer Bruder, König Pedro V., starb nach weniger als einem Jahrzehnt auf dem Thron an den Folgen einer Cholera-Epidemie, die Portugal 1861 heimsuchte und auch in der königlichen Familie heftige Opfer forderte. Da Pedro V. keine Erben aufzuweisen hatte, ging die Königswürde auf seinen jüngeren Bruder über. Am 11. November 1861 bestieg König Luis I. den portugiesischen Thron.

Er stand vor keinen leichten Aufgaben, die Welt war damals in Aufruhr. In den USA und Mexiko herrschte Bürgerkrieg. In Südamerika drohte ein Krieg zwischen Brasilien und seinen Nachbarn. In Europa formierte sich das neue Königreich Italien und in Afrika verschärfte sich der Wettstreit um Kolonien. König Luis würde sein bestes Geben müssen, um Portugal durch dieses unruhige Fahrwasser zu steuern. Eine gelungene Analogie, war er als Offizier der portugiesischen Marine doch bereits selbst zu den portugiesischen Kolonien in Afrika gefahren und hatte 1858 sein erstes Marinekommando erhalten.

Hochzeit mit Prinzessin Maria Pia

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Das Königspaar mit den beiden Söhnen

Im Jahr 1862 heiratete König Luis die Prinzessin Maria Pia von Savoyen, eine Tochter von König Vittorio Emmanuele II. von Italien. Eine exzellente Partie. Vom Volk als wohltätiger Engel und Mutter der Armen geliebt, schenkte sie dem König zwei Söhne. Carlos, 1863 geboren sowie Afonso, 1865 geboren. Ein Jahr später erlitt die Königin eine Totgeburt und das Paar hatte keine weiteren gemeinsamen Kinder mehr. Der König sollte mit einer Geliebten später noch einen Sohn zeugen und seine Untreue wurde von vielen für die Depressionen verantwortlich gemacht, mit denen Königin Maria Pia nach einigen Jahren der bis dahin glücklichen Ehe kämpfte.

König Luis I. war im Grunde drei Jahrhunderte zu spät geboren. Er besaß den perfekten „Renaissance-Charakter“. Er war hochgebildet, kultiviert und besaß ein Übermaß ein intellektueller Neugier. Er sprach mehrere Sprachen, war Amateurmaler, komponierte Musik und spielte begeistert Cello und Piano. Die Literatur lag ihm am Herzen. Neben dem Lesen verbrachte er viel Zeit damit, selbst Poesie zu verfassen oder Shakespeare ins Portugiesische zu übersetzen. Ozeanographie lag im Zentrum seines wissenschaftlichen Interesses und er investierte erhebliche Summen seines Privatvermögens in ozeanographische Forschungsschiffe sowie dem Bau eines der ersten Aquarien der Welt in Lissabon, welches die Vielfalt des Lebens im Ozean aufzeigt. Es kann im übrigen noch heute besucht werden.

Keine Ruhe für König und Portugal

Was die Politik anging, so hatte König Luis eine weniger ruhige Regierungszeit. In Portugal dauerte der politische Konflikt zwischen den liberalen „Progressistas“ und den konservativen „Regeneradores“ an. Wobei der König naturgemäß den Konservativen näher stand. Portugal befand sich in einer ökonomisch prekären Situation. Um die chronisch leere Staatskasse zu füllen, beschloss man die Erhebung einer neuen Verbrauchssteuer. Diese Steuer war jedoch so unpopulär beim Volk, dass es 1867 zu Protesten auf den Straßen kam.

Der Herzog von Saldanha
Herzog João Carlos Gregório Domingos Vicente Francisco de Saldanha Oliveira e Daun

Die politischen Probleme dauerten an, als es am 19. Mai 1870 zu einem Militäraufstand unter dem Herzog von Saldanha kam. Der Herzog war ein politisches Urgestein Portugals und zu jener Zeit Premierminister. Doch sein Aufstand scheiterte. Der Herzog verlor durch den gescheiterten Aufstand seine Position und konnte sich glücklich schätzen, nicht mehr verloren zu haben. Die ansonsten unpolitische Königin Maria Pia sagte, dass sie ihn – wenn sie der König wäre – hätte erschiessen lassen. Bei solchen Gelegenheiten schimmerte immer wieder ihr feuriges Temperament durch, die sich ansonsten ihrem Stand gemäß zurückhielt.

Ebenfalls 1870 stellte König Luis I. Überlegungen an, als einer der Kandidaten Anspruch auf den verwaisten spanischen Thron zu erheben. Er entschied sich jedoch – in weiser Voraussicht – gegen ein solches Vorhaben. Wie bekannt ist, sorgte der Anspruch eines anderen Kandidaten auf den spanischen Thron zum Französisch-Preußischen Krieg von 1870/71. Derlei Streitigkeiten waren das Letzte, was Portugal zu diesem Zeitpunkt benötigte.

Denn das Königreich Portugal war seit den Kriegen mit dem napoleonischen Frankreich zu Beginn des Jahrhunderts nicht mehr in bestem Zustand. Seit damals hatte das kleine Land kaum die Chance, sich zu erholen. Zunächst kam es zum Abfall der wichtigsten Kolonie, Brasilien. Anschließend zum „Krieg der zwei Brüder“ (Miguelistenkrieg) um die Krone Portugals. Es folgten immer wieder Probleme mit Seuchen / Krankheiten und der Modernisierung des Landes im Allgemeinen. Dazu kam eine politische Szene, deren Kennzeichen immer mehr Korruption und Intrigen wurden, statt sich um das Allgemeinwohl und das portugiesische Kolonialreich zu sorgen.

Die rosafarbene Karte

All dies führte dazu, dass Portugal immer weiter in Stagnation verfiel, während andere europäische Länder in ihrer Entwicklung davonzogen. Auf der Weltbühne entstanden Portugal Nachteile aus ihrer Allianz mit Großbritannien (seit 1386!), die älteste noch bestehende Allianz der Welt. In der Vergangenheit gab es niemals Interessenskonflikte zwischen Portugiesen und Briten. Doch wegen Afrika kam es erstmals zu Spannungen.

Nach dem Verlust Brasiliens wurden die afrikanischen Kolonien für Portugal immer wichtiger. In Lissabon hoffte man, dass ein Wachstum in Afrika die portugiesische Wirtschaft wieder beleben würde. Die größten Besitzungen waren Portugiesisch Westafrika (Angola) und Portugiesisch Ostafrika (Mozambique) an den Küsten des Atlantiks und des Indischen Ozeans.

Die berühmte rosafarbene Karte
Die berühmte rosafarbene Karte

Nach Abschaffung des Sklavenhandels unternahmen die Portugiesen daher Militärexpeditionen, um diese Kolonien mit ihren kleinen Küstensiedlungen tiefer im inneren Afrikas zu besiedeln. Die bekannte „rosafarbene Karte“ illustriert den Portugiesischen Wunsch den Kontinent zu durchqueren und die Besitzungen in West- und Ostafrika über eine Landroute zu vereinen.

Das britische Empire war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits dabei von Südafrika aus nach Norden zu expandieren. Verhandlungen wurden bis zur Berliner Konferenz aufgeschoben, wo es zum berühmten „Wettlauf um Afrika“ der europäischen Mächte kam.

Portugal war zu Konzessionen gegenüber den Franzosen und Deutschen bereit, um ihrerseits Unterstützung für den portugiesischen Anspruch auf das Landesinnere zu sichern. Nachdem auf der Berliner Konferenz der belgische Anspruch auf den Kongo festgeschrieben wurde , sah sich Portugal in seinen Expansionsmöglichkeiten nach Norden noch weiter eingeschränkt. Umso mehr pochte man auf Umsetzung der „rosafarbenen Karte“. Doch ausgerechnet der langjährige Verbündete Großbritannien durchkreuzte die Pläne. Der portugiesische Anspruch war einfach nicht mit dem britischen Wunsch eines Kolonialreichs „von Kap bis Kairo“ in Einklang zu bringen.

luisPortugal
Luis I. in späteren Lebensjahren

König Luis I. würde die Entscheidung in dieser Frage jedoch nicht mehr erleben. Nachdem er sich Zeit seiner Regenschaft dem Vorwurf ausgesetzt sah, die Konservativen den Progressistas vorzuziehen, gewannen gegen Ende seiner Herrschaft noch radikalere linke Parteien wie die Sozialistische Partei und die Republikanische Partei an Gewicht.

Beiden war die Geschichte und Tradition des Königreichs Portugal ein Dorn im Auge. König Luis I. befand sich im Zentrum der Streitigkeiten und nicht gerade in einer beneidenswerten Situation. Für einen Mann, der stundenlang über die Schönheit von Kunst und Musik debattieren konnte, wurde die politische Situation mit ihren Kleinkriegen und Intrigen immer schwerer zu ertragen. Am 19. Oktober 1889 starb er unerwartet im Alter von nur 50 Jahren. Sein Sohn und Nachfolger König Carlos I. erbte ein mit großen Problemen belastetes Königreich.

Im Jahr 1890 stellte die britische Regierung Portugal ein Ultimatum unter Androhung des Abbruchs aller diplomatischen Beziehungen, sollte Portugal nicht alle seine Truppen aus den Hochländern im inneren Afrikas abziehen und die britische Kontrolle über das Territorium zwischen Angola und Mozambique anerkennen. Carlos I. hatte keine Wahl als zuzustimmen oder einen Krieg zu riskieren, der hoffnungslos gewesen wäre. Die Öffentlichkeit war außer sich vor Wut. Man sah das Ultimatum als Verrat ihres ältesten Verbündeten und die Republikaner nutzten die Situation, um gegen die Monarchie zu mobilisieren, da der König angeblich die Interessen Portugals „ausverkaufe“.

Heute wird König Luis vielfach unberechtigt für die Krankheiten Portugals verantwortlich gemacht, die letztlich auch die Monarchie zu Fall brachten. Dies zu tun, bedeutet ihn für etwas verantwortlich zu machen, worauf er keinerlei Einfluss hatte. Er konnte weder etwas für die Kriege vor seiner Regentschaft und er war auch kein absoluter Monarch, der nach Belieben herrschen konnte.

Alles was er tun konnte, war die sich streitenden politischen Eliten an einen Tisch zu bringen. Doch trotz seiner zahlreichen Bemühungen gelang ihm der Ausgleich nie. Er war ein nachdenklicher, gebildeter Mann der alle Qualitäten eines erfolgreichen konstitutionellen Monarchen besaß. Die Öffentlichkeit kannte seine Verdienste damals an, auch wenn nachfolgende Generationen ihn nicht „Luis der Beliebte“ oder „Luis der Große“ nannten. Er war der aufrichtigste Mann in den damaligen Hallen der portugiesischen Macht und genau dafür wurde er geschätzt.

König Ludwig III. von Bayern

Firle,_Prinzregent_LudwigDer letzte bayerische König wurde am 07. Januar 1845 als Ludwig Luitpold Josef Maria Aloys Alfried in München geboren. Er war der erstgeborene Sohn des Prinzregenten Luitpold und seiner Frau Erzherzögin Augusta von Österreich. Die Mutter war eine Tochter Großherzogs Leopold II. der Toskana, verbrachte lange Jahre in Florenz und sprach mit ihren Kindern zumeist auf Italienisch.

Als Kind liebte es Ludwig, draußen in der Natur zu spielen. Diese Liebe zur Natur würde ihn zeitlebens prägen. Mit 16 Jahren trat er 1861 als Leutnant dem 6. Jägerbattalion unter seinem Onkel, König Maximilian II. bei. Es sollte der Anfang einer langen Militärkarriere sein. Im nächsten Jahr begann er Vorlesungen zu Jura und Ökonomie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München zu besuchen. Wertvolles Wissen für einen Monarch, auch wenn Ludwig angab, er hätte lieber Agrarwirtschaft studiert.

Im selben Jahr nahm der junge Prinz Ludwig mit vollendetem 18. Lebensjahr bereits an Sitzungen des bayerischen Senats teil. Dies war üblich für Prinzen, um ihnen Einblicke und erste praktische Erfahrung in die Regierungarbeit zu ermöglichen.

Erster Kriegseinsatz und Verwundung

Im Jahr 1866 kam es zum so genannten Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich. Bayern war damals mit Österreich verbündet und als mittlerweile Oberleutnant nahm auch Ludwig an den Kämpfen teil. Beim Gefecht von Helmstadt wurde er durch einen Schuss in den Oberschenkel verwundet. Erhielt für seinen persönlichen Einsatz aber in der Folge das Ritterkreuz 1. Klasse des bayrischen Militärverdienstordens.

Trotz seiner persönlichen Anstrengungen verlor Österreich den Feldzug. Preußen stieg damit endgültig zum mächtigsten deutschsprachigen Land auf.

Hochzeit mit Marie Therese von Österreich-Este

Als Prinz Ludwig im Jahr darauf zur Beerdigung eines Cousins nach Wien reiste, lernte er dort Erzherzögin Marie Theresie von Österreich-Este kennen. Am 20. Februar 1888 heirateten die beiden in Wien, auch Kaiser Franz Joseph I. war als Ehrengast anwesend.

Marie Therese von Österreich-Este
Marie Therese von Österreich-Este

Es war eine exzellente Partie für Ludwig. Nicht nur, dass es eine glückliche Ehe mit über 50 Ehejahren werden sollte, er erbte durch die Hochzeit auch große Ländereien in Böhmen und Ungarn.

Dies erlaubte ihm, sich noch tiefer seinem Interesse an der Agrarwirtschaft zu widmen. Und es brachte ihm genug Einkünfte ein, um in Bayern ein Bauernhof-Modell nach seinen Vorstellungen zu bauen. Der im übrigen sehr erfolgreich betrieben wurde und ihm bei der Landbevölkerung den Beinamen „Milibauer vo Leitstettn“ (Milchbauer aus Leutstetten) einbrachte. Wobei im Leutstettener Schloß neben Viehwirtschaft und Ackerbau mit dem Leutstettener auch ein edles Halbblutpferd gezüchtet wurde, das viel Ansehen einbrachte.

Seine Frau Marie Therese hatte zudem eine glänzende Abstammung und wurde von einer Handvoll verbliebener Jakobiten (Anhänger der Stuart-Linie) als rechtmäßige Erbin des britischen Throns gesehen. Sie mied das Thema jedoch in der Öffentlichkeit.

Noch heute sehen die Jakobiner den gegenwärtigen Chef des Hauses Wittelsbach, Herzog Franz von Bayern, als rechtmäßigen Thronerben. Die Sukzession der Jakobiten war seinerzeit vom Haus Stuart zum Haus Savoyen übergegangen und von dort zum Haus von Modena und Austria-Este. Ludwig und Maria Theresa würden zusammen 13 Kinder haben und taten damit mehr als ihre Pflicht, um die Nachfolge zu sichern

Gemälde zur Goldenen Hochzeit des Paares 1918
Gemälde zur Goldenen Hochzeit des Paares 1918

Am liebsten hätte Ludwig seine gesamte Zeit mit der Familie verbracht und sich seinem Hobby, der Landwirtschaft und der Energieerzeugung mittels Wasserkraft gewidmet. Doch die königliche Pflicht stand an erster Stelle and kollidierte oft mit seinen ländlichen Interessen.

Als 1870 der Preußisch-Französische Krieg ausbrach, zogen auch bayerische Soldaten als Verbündete Preußens in den Krieg. Nach dem fulminanten Sieg über die Franzosen formierte sich das Deutsche Reich unter preußischer Führung im Jahr 1871.

Krönung zum König

ludwig-iii-thronbesteigungAls sein Vater Luitpold nach langer Regentschaft im Jahr 1912 verstarb, beerbte ihn sein Sohn Ludwig. Auch er wurde zum Prinzregenten. Aber nicht zum König. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass König Otto immer noch lebte und man nur in Vertretung des Königs agierte. (Die Chancen auf eine Rückkehr König Ottos standen aber schlecht, litt er doch unter massiven psychischen Problemen und war seit 1875 regierungsunfähig)

Da sich die meisten Bayern nur noch an die erfolgreiche Regentschaft unter Prinz Luitpold erinnern konnten, kam schon bald die Forderung auf, Ludwig zum neuen König von Bayern zu weihen. Dies erschien jedermann sinnvoll und 1913 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, durch das er zu König Ludwig III. von Bayern wurde. Der alte König Otto wurde jedoch weiterhin als König betitelt und für seine weiteren Lebensjahre auch so behandelt. In den Jahren 1913-1916 besaß Bayern also im Grunde zwei Könige.

König Ludwig III. besaß eine enge Bindung zu seinen Leuten, sorgte sich um ihr Wohl und suchte stets nach Möglichkeiten sein Königreich zu verbessern. Seine Sozialpolitik orientierte sich stark an der päpstlichen Enzyklika „Rerum Novarum“. Er war allerdings auch nicht vor Kritik gefeit. Die Preußen tendierten dazu die Bayern als „schwierig“ und „anmaßend“ zu erachten. In Bayern wiederrum wurde König Ludwig III. teilweise vorgeworfen, den Preußen zu untergeben zu sein. Eine Kritik, die sich auch schon sein Vater Prinzregent Luitpold gefallen lassen musste, die jedoch unfair war.

So wie Prinzregent Luitpold sich bereits mit Otto von Bismarck wegen dessen antikatholischer Politik angelegt hatte, so setzte sich König Ludwig III. für den Erhalt der bayerischen Kultur ein. Insbesondere der einzigartige katholische Charakter im protestantisch dominierten Deutschen Reich. Er sah Bayern als südliches Gegengewicht zu Preußen und befürchtete stets, dass Preußen auf Kosten der anderen deutschen Königreiche zu mächtig werden könnte. Dies wurde besonders nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs  zum Problem.

Einige Historiker porträtieren Ludwig III. und – zu einem gewissen Maß – ganz Bayern als eher unfreiwilligen Kriegsteilnehmer an einem originär preußischen Konflikt. Dies ist allerdings nicht ganz wahr. Wie in den meisten anderen europäischen Länder war die bayerische Öffentlichkeiten ebenso enthusiastisch über den Krieg und erpicht darauf, endlich eine Entscheidung und Neuordnung Europas herbeizuführen.

Was König Ludwig III. große Sorgen bereitete, war die Frage, wie er die übermäßige Macht Preußens im Reich beschränken könnte. Für ihn musste Bayern das natürlich Gegengewicht zur preußischen Dominanz im Deutschen Reich sein und bleiben. Dies gipfelte in einem Plan, wonach Bayern im Fall des Kriegsgewinns den Elsass und die belgische Stadt Antwerpen zugeschlagen bekäme. Letzteres würde Bayern eine Verbindung zur Nordsee geben und der König hatte schon lange großes Interesse an der Seefahrt und ihrer ökonomischen Nutzung entwickelt.

Der König während des 1. Weltkriegs
Der König während des 1. Weltkriegs

Doch so weit sollte es nicht kommen. Die Kriegssituation verschlechterte sich zusehends für das Deutsche Reich. König Ludwig III. wurde abermals vorgeworfen, nur eine Marionette der Preußen zu sein.  Was unwahr ist. Wahr ist aber, dass die Verluste Bayerns als zweitmächtigster Staat des Deutschen Reiches vergleichsweise groß waren. Bayern trug 3 Armeekorps zu den Streitkräften bei, das größte Truppenkontingent nach den Preußen und München war das Hauptquartier des bayerischen Generalstabs. Das bayerische Kriegsministerium und ihr Armeekorps agierten praktisch unabhängig mit eigenen Kommandeuren, eigenen Uniformen und eigenen Traditionen.

Mit der Länge des Krieges nahm der Wunsch nach Eigenständigkeit und Unabhängigkeit Bayerns stark zu. Insbesondere in München entwickelte sich auch eine sozialistische Cliqué mit dem Ziel den Marxismus in Bayern in Form einer Räterepublik nach sowjetischem Muster einzuführen. Ende 1918 versuchte Bayern noch einen Separatfrieden mit den Alliierten zu schließen, doch dies schlug fehl.

In München kam es in der Folge zu Aufständen und König Ludwig III. musste die Hauptstadt mit seiner Familie verlassen. Die Revolutionäre um Kurt Eisner erklärten den König für abgesetzt. Er war damit der erste deutsche Monarch, der eine derartige Demütigung zu erleiden hatte. Nach 738 Jahren endete damit die Herrschaft der Wittelsbacher in Bayern.

König_Ludwig_III._von_BayernOhne möglichen Ausweg entband König Ludwig III. alle Soldaten und Regierungsangestellten von ihrer Loyalitätspflicht. Er dankte jedoch nicht ab, wie republikanische Führer dies später falsch verkündeten – und er legte Wert auf diese Tatsache.

Doch Formalitäten beiseite, die Monarchie war gefallen und Ludwig III. musste das Land verlassen. Er zog von Ungarn nach Liechtenstein und schließlich in die Schweiz. Nach einiger Zeit gelang es konservativen Kräften die Marxisten auszuschalten und wieder Ordnung in München herzustellen. Die königliche Familie konnte 1920 zurückkehren und es gab leisen Optimismus, dass eine Wiederherstellung der Monarchie möglich sei. Insbesondere in den ländlichen Regionen besaß die Monarchie einen extrem starken Rückhalt in der Bevölkerung.

Doch inmitten der Bemühungen starb König Ludwig III. am 18. Oktober 1921 während eines Besuchs in Ungarn. Aufgrund der Popularität der Monarchie in Bayern, erhielt der König von der republikanischen Regierung widerwillig ein Staatsbegräbnis.

König Ludwig III. war niemals abgedankt. Sein Sohn, Kronprinz Rupprecht, lehnte es ebenfalls ab, die Republik zu akzeptieren, ehe das bayrische Volk nicht in einem freien Referendum zwischen Republik und Monarchie abstimmen dürfe. Bis zum heutigen Tag hat eine solche Abstimmung niemals stattgefunden.

Glückwunsch Kronprinz Alexander

Passend zum gestrigen Beitrag über die Geschichte des serbischen Königshauses schieben wir noch beste Glückwünsche zum 70. Geburtstag von Kronprinz Alexander Karajordjevic hinterher.

Kronprinz Alexander mit Gattin Katharina - Foto Vladimir Lukic
Herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag! Kronprinz Alexander von Serbien mit Gattin Katharina

Wie die serbische Zeitung Blic in ihrer Onlineausgabe berichtet, feiert ganz Serbien am 17. Juli seinen ungekrönten Prinzen. Als internationale Gäste werden unter anderem der schwedische König Gustav mit Königin Silvia, Fürst Albert von Monaco und Spaniens Königin Sofia erwartet. Auch eine breite Mischung von Personen des öffentlichen Lebens Serbiens werden an den Feierlichkeiten teilnehmen, die heute Abend mit einem Bankett im Weißen Palast Belgrads beginnen.

Mehr Details und das Protokoll hält der erwähnte Blic Artikel bereit (Achtung, auf Serbisch)

Das Königreich Serbien

Flag_of_SerbiaDie Geschichte des Königreichs Serbien reicht lange zurück. Bereits der griechische Gelehrte Ptolemaeus wusste in seiner Geographie ca. 150 n. Chr.  von den Σέρβοι (Serboi) zu berichten, die in der Gegend zwischen Ungarn und dem heutigen Serbien siedelten. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderte nahmen die Serben den christlichen Glauben an, was sie kulturell sehr stark prägen würde.

Im Mittelalter vergrößerte sich der serbische Einfluss insbesondere unter der Dynastie der Nemanjic, als viel byzantinisches Territorium erobert wurde. Die Byzantiner waren damals zu sehr mit dem Kampf gegen das Osmanische Reich beschäftigt, um ernsthafte Gegenwehr zu leisten. Doch es sollte nicht lange dauern, bis auch die Serben den Osmanen gegenüber standen und schließlich 1459 erobert wurden. Es folgten 350 Jahre unter osmanischer Fremdherrschaft.

Karageorge um 1816
Karageorge um 1816

Im frühen 19. Jahrhundert begannen die Serben schließlich eine Reihe von Rebellionen gegen das Osmanische Reich. Zunächst ging es um den Kampf für Autonomie innerhalb des Reiches, später um die vollständige Unabhängigkeit.

An der Spitze der Unabhängigkeitsbewegung standen zwei Führer: Milos Obrenovic und George Petrovic, letzterer auch bekannt als „Karageorgevich“ (Kara = schwarz, georgevich = Georg; schwarzer Georg)

Die Rivalität der beiden Familien

Die Familien der beiden würden fortan die moderne Geschichte der Serben dominieren. Und gegeneinander um Einfluss kämpfen, was mitunter blutig endete. So hatten sich beispielsweise die Obrenovic in einer Rebellion gegen die Osmanen früh eine gewisse Autonomie und Einfluss erkämpft.

Als Karageorgevich eine weitere Rebellion gegen die Osmanen anführte und sich als zweite Führungsfigur der Serben zu etablieren drohte, ließen ihn die Obrenovic ermorden. Auf diese Weise sollten die Obrenovic an der Spitze eines unabhängigen Serbien stehen. Damit hatte man sich die Familie Karageorgevich jedoch zu Todfeinden gemacht, die ihrerseits nun auf Rache aus war.

Nach einiger Zeit wurden die Großmächte auf das Ringen zwischen Serben und Osmanen aufmerksam. Immer auf das Gleichgewicht der Mächte bedacht, „ermutigte“ man die Osmanen, den Serben ihre Unabhängigkeit zuzustehen. 1867 war es schließlich soweit, die letzten Osmanischen Truppen zogen sich zurück.

Das unabhängige Königreich Serbien entsteht

Prinz Mihailo III.
Prinz Mihailo III.

All dies geschah unter der Regenschaft der Familie Obrenovic, die Serbien fast durchgehend seit 1815 regierte. Der damalige Herrscher war Prinz Mihailo III., ein vorausschauender Herrscher mit guten Beziehungen zu den Österreichern und den Russen. Er träumte von einer slawischen Förderation im Balkan, mit dem Ziel ein starkes Gegengewicht gegen die Osmanen bilden zu können.

Prinz Mihailo III. sollte diese Idee jedoch nicht weiter verfolgen können, fiel er doch bald darauf einem Attentat zum Opfer. Viele vermuteten die Rache der Karageorgevichs dahinter. Spuren deuteten jedoch auch in Richtung „liberaler Fortschrittler“. Ganz aufgeklärt wurde der Mord nie.

Milan I. besteigt den wiederhergestellten Königsthron

Milan I, König der Serben
Milan I., König der Serben

Da seine Ehe kinderlos geblieben war, wurde sein Neffe Prinz Milan Obrenovic IV. zum Nachfolger erklärt. Dieser suchte außenpolitisch die Annäherung an Österreich-Ungarn statt der traditionellen Bindung an Russland, was für Unmut im Land sorgte und den Obrenovics später zum Verhängnis werden sollte. Doch wir greifen vor.

Mit der Anerkennung der serbischen Unabhängigkeit durch die Osmanen hatte er einen großen Erfolg vorzuweisen. Allerdings verlangten die Großmächte auf dem Berliner Kongress 1878 im Gegenzug den Verzicht Serbiens auf die bosnischen Gebiete. Diese waren zwar nominell noch Osmanisches Territorium, in Wahrheit aber bereits von Österreich-Ungarn kontrolliert.

Königin Natalija von Serbien
Königin Natalia von Serbien

Vier Jahre später, im Jahr 1882 bestieg Milan I. den serbischen Königsthron. Das Königreich Serbien war nach Jahrhunderten wieder hergestellt und nun würden bessere Zeiten kommen, hoffte man in Belgrad und anderswo.

Doch weder Land noch der königliche Haushalt sollten zur Ruhe kommen. Seine Ehe mit der russischen Adeligen Natalia Keschko war eher unglücklich. Zu unterschiedlich waren beide in ihren Werten und Meinungen, so dass es häufig zu Reibereien zwischen beiden kam. Die Königin war für ihr Temperament bekannt und das sie kein Blatt vor den Mund nahm, was ihr Gatte mehr als einmal verübelte.

Der Popularität des Königs im stark christlich-orthodox geprägten Land verhalf es auch nicht, dass er in der Folge zahlreiche außereheliche Affären hatte. Darunter auch mit Jennie Churchill, der späteren Mutter des britischen Premierministers Winston Churchill. 1887 entkam König Milan I. nur knapp einem Mordanschlag durch Angehörige der Radikalen Partei. Hinzu kamen Streitigkeiten mit der gewählten Regierung über die Kompetenzen des Königs.

All dies führte dazu, dass König Milan I. ein Jahr darauf, 1889, zugunsten seines Sohnes König Alexander I. abdankte. Später würde er zumindest zeitweise als Kommandant der serbischen Armee noch einmal zurückkehren und sich Verdienste erwerben.

König Alexander I. übernimmt von seinem Vater

Der junge König Alexander I.  rang zunächst mit der recht liberalen Verfassung, die sein Vater dem Land gegeben hatte. Seine Schritte die Verfassung aufzuheben und mehr Macht beim Königsthron zu konzentrieren, rief jedoch Widerstand hervor. Nach kurzer Zeit war er gezwungen, seine Entscheidung rückgängig zu machen und Serbien eine neue Verfassung zu geben. Diese sah eine Legislatur mit zwei Kammern (ein Ober- und ein Unterhaus), ähnlich dem britischen Modell, vor.

Auch bei der Heirat bewies Alexander I. ein äußerst unglückliches Händchen. Alexander I. hatte sich nämlich in den Kopf gesetzt, die Hofdame Draga Maschin zu heiraten. Die serbische Gesellschaft war außer sich. Das sie nicht adelig war, war noch das geringste Problem. Aber sie war nicht nur zwölf Jahre älter, sondern auch verwitwet. Üble Gerüchte machten die Runde, wonach sie ihren ersten Ehemann vergiftet habe. Auch ihre beiden Brüder, die als Offiziere dienten, besaßen einen ähnlich schlechten Leumund. Nach Sicht der Gesellschaft war ihr junger, naiver Prinz in die Fänge einer bösartigen Verführerin geraten.

Alexander Obrenovic mit Gemahlin Draga
Alexander Obrenovic mit Gemahlin Draga

Sowohl seine Mutter, als auch der Vater intervenierten mit allen Mitteln gegen die Verlobung. Gerade die Mutter ließ es auf einen Machtkampf ankommen. Am Ende verlor sie und verließ Serbien in Richtung Paris, wo sie später als Nonne in ein Kloster ging, nachdem sie ihr Vermögen Universitäten und der Kirche gespendet hatte.

Alexander I. hatte seinen Willen durchgesetzt und das Paar heiratete am 05. August 1900. Zum Unmut vieler Serben. Als schließlich bekannt wurde, dass im Todesfall des Königs der unpopuläre ältere Bruder von Draga Maschin womöglich den Thron besteigen würde, brachte dies das Fass zum überlaufen.

Das Ende der Obrenovic auf dem Thron

Im Juni 1903 drang eine Gruppe Offiziere widerstandslos in den königlichen Gemächern ein und ermordete den König und die Königin. Auch beide Brüder der Königin wurden hingerichtet.

Der schändliche Königsmord war natürlich keine spontane Entscheidung einiger besorgter Offiziere. So sollte es nach Außen wirken. Ihr Anführer Dragutin Dimitrijevic besaß enge Verbindungen zu Russland, das Serbien wieder in russlandfreundliche Bahnen umlenken wollte, nachdem die Obrenovics zuletzt sehr freundschaftliche Beziehungen mit Österreich-Ungarn führten.

Dragutin Dimitrijevic war zudem mit anderen beteiligten Offizieren im  nationalistischen Geheimbund Црна рука (schwarze Hand), der auf Kosten Österreich-Ungarns ein Großserbien errichten wollte. Später sollte er als Führer jener Gruppe von sich Reden machen, die den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand ermordeten und so den 1. Weltkrieg auslösten.

Ein neues Königshaus

Peter I. in älteren Jahren
Peter I. in älteren Jahren

Am 15. Juni 1903 bestieg schließlich König Peter I. aus der Dynastie der Karageorgevich den serbischen Thron. Die Konspirateure hatten ihn gleich nach dem Attentat zum neuen König ausgerufen, doch das serbische Parlament brachte einige Wochen, um ihn formell als neuen König zu bestätigen. Eine neue Verfassung wurde verabschiedet (ja, noch eine) basierend auf dem belgischen Modell.

König Peter I. machte sogleich klar, dass Serbien ein enger Freund des Russischen Reichs und der Französischen Republik sei und nicht länger ein Freund Österreich-Ungarns. Die k.u.k. Monarchie reagierte darauf mit der Annektion des umstrittenen Bosnien-Herzegowina Territoriums im Jahr 1908, was anti-österreichische Ressentiments in Serbien stärkte.

Im Balkankrieg 1912-13 gegen das Osmanische Reich gelang es dem von Russland vermittelten Balkanbündnis Serbien-Bulgarien-Griechenland-Montenegro einen entscheidenden Sieg gegen das rapide verfallende  Osmanische Reich zu erringen. Das siegreiche Serbien erhielt den Kosovo und weitere Territorien und die Freude darüber war groß.

Panslawischer Nationalismus, der die Einheit aller slawischer Brudervölker beschwor, gewann zunehmend an Macht. Die Errichtung eines „Großserbien“ in Anlehnung an das mittelalterliche Reich der Nemanjic war nun das große Ziel. Diese Ideen wirkte auch auf viele slawische Angehörige Österreich-Ungarns anziehend, darunter viele Kroaten und Slowenen. Das Problem mit „Großserbien“ war allerdings, dass viele der Ländereien anderen Staaten gehörten. Insbesondere Bosnien war Teil des verhassten Österreich-Ungarn.

Vermutlich jeder Leser weiß, was als Nächstes folgte: Bei einem Besuch des österreichischen Thronerben und seiner Gemahlin in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo im Jahr 1914, wurde dieser durch einen serbischen Nationalisten ermordet. Österreich-Ungarn sandte ein scharfes Ultimatum an Serbien, welches – nach Zusicherung von Unterstützung durch Russland – abgelehnt wurde. Der 1. Weltkrieg nahm seinen Lauf.

König Peter I. regierte damals über ein Land von zu allem entschlossenen Menschen und abgehärteten Veteranen des Balkankrieges. Als die Österreich-Ungarischen Truppen ihre Invasion von Serbien starteten, blieb der Angriff im Abwehrfeuer der Serben stecken. Mit Verstärkung aus Deutschland und später Bulgarien und dem Osmanischen Reich konnte sich aber auch Serbien nicht mehr behaupten und wurde besetzt. Teile der serbischen Armee flüchteten sich zur Küste, wo sie von der italienischen Marine aufgenommen wurden und an anderen Fronten den Kampf bis zum Sieg der Alliierten 1918 fortsetzten.

König Alexander I. Karageorgevich
König Alexander I. Karageorgevich

Für Serbien hatte der Krieg große Gebietsgewinne gebracht. Der lang gehegte Traum eines „Großserbien“ schien unter König Peter I. und seinem Sohn Prinzregenten Alexander endlich zur Wirklichkeit zu werden. Kurz nach Kriegsende wurde das Königreich der Slowenen, Kroaten und Serben ausgerufen, womit die von Österreich-Ungarn eroberten Gebiete bezeichnet wurden.

Nach dem Tod von König Peter I. im Jahr 1921 folgte schließlich die Umbenennung in Königreich Jugoslawien (Jugo = Süd, also wörtl. „Südslawien“). Sein Sohn Alexander wurde zum neuen König gekrönt.

Die Dinge schienen gut zu laufen für Serbien, oder? Nun, nicht wirklich. Nicht jeder war glücklich darüber, nun ein Teil Jugoslawiens zu sein. Insbesondere vielen Kroaten und Slowenen schien es, als hätten sie nur eine Fremdherrschaft gegen eine andere getauscht. Andere Minderheiten wie Italiener oder Ungarn lehnten die Serbenherrschaft vehement ab. König Alexander hatte alle Mühe, das Reich zusammenzuhalten. Immer wieder kam es chaotischen Perioden und heftigen politischen Auseinandersetzungen.

Es ist vielleicht Ironie der Geschichte, dass die königliche Familie Serbiens am Ende ein ähnliches Schicksal wie die verhassten Habsburger erlitt. Die Gemeinsamkeiten sind unübersehbar.

Noch ein Königsmord und Gefahr von Außen

Im Jahr 1934 fiel König Alexander schließlich einem Attentat zum Opfer. Seine Nachfolge trat sein minderjähriger Sohn Peter II. an, an dessen Stelle Prinzregent Paul regierte. Serbien befand sich in einer prekären Situation – die meisten Freunde (Russland) waren weit entfernt und viele Nachbarländer schielten auf ihre im 1. Weltkrieg an Serbien verlorenen Territorien.

Prinz Paul ging die internen Probleme des Staates an und wollte diese lösen, indem er die zuvor streng durchgeführte Zentralisierung lockerte und teilweise rückgänig machte. Die einzelnen Regionen und ihre Völker sollten mehr regionale Autonomie erhalten. Er bemühte sich auch ausländischen Einfluss und die Unterstützung von Dissidenten zu bekämpfen. Indem er sich um freundschaftliche Beziehungen mit allen Nachbarn bemühte, wollte er etwaigen Umstürzen zuvor kommen. Dies galt insbesondere den beiden erstarkenden Nationen Italien und dem Deutschen Reich.

Prinz Peter und .. dieser andere Typ
Prinzregent Paul und … dieser andere Typ

Dies im Hinterkopf unterzeichnete Prinzregent Paul im Jahr 1941 den Dreimächtepakt, womit Jugoslawien zu einem ziemlich lauwarmen Verbündeten der Mittelmächte Deutschland – Italien – Japan wurde. Diese Entscheidung muss in ihrem historischen Kontext gesehen werden.

Frankreich (traditioneller Verbündeter der Serben) war zu diesem Zeitpunkt bereits besiegt. Großbritannien schien als nächstes dem Untergang geweiht und es sah aus, als hätte Jugoslawien keine Überlebenschance, wenn Jugoslawien sich nicht mit dem Deutschen Reich und Italien verständigen würde.

Doch kaum war die Tinte unter dem Dokument getrocknet, als Prinz Paul bereits durch einen Militärputsch auf Initiative der Briten entmachtet wurde. Jugoslawien trat aus dem Bündnis der Achsenmächte aus und den Alliierten bei. König Peter II. wurde für volljährig erklärt und bestieg den Thron.

Spielball der Mächte: König Peter II.
Spielball der Mächte: König Peter II.

Dies führte zur Invasion Jugoslawiens durch das Deutsche Reich. Binnen weniger Wochen war das gesamte Land unter Kontrolle und wurde in deutsche, italienische und bulgarische Einflusszonen aufgeteilt.

König Peter II. entkam nach Großbritannien, wo er seine Schulbildung beendete und der Royal Air Force beitrat, während in Jugoslawien kommunistische und royalistische Partisanen die Besatzer und einander bekämpften.

1943: Schicksalsjahr des Königreichs Serbien

Ein Schlüsslerlebnis für Serbien sollte das Jahr 1943 sein. Die Alliierten sicherten der Sowjetunion zu, dass im Kriegsgewinn der gesamte Osten Europas als neuer Einflussbereich der Sowjetunion gelten würde. Plötzlich wurden die royalistischen Partisanen nicht mehr unterstützt, sondern nur noch die kommunistischen. Der junge König Peter II. wurde gezwungen, den Kommunistenführer „Tito“ zum Kommandanten der Armee und Premierminister zu ernennen.

Kommunistenführer Tito
Kommunistenführer Tito

Diese Unterschrift kam dem Todesurteil für das Königreich Jugoslawien gleich – und das wusste der junge König. Denn es war unvorstellbar, dass die Kommunisten nach dem Krieg einer Wiederherstellung der konstitutionellen Monarchie zustimmen würden. Wie zu erwarten erklärten die Kommunisten 1945 den König für abgesetzt, als sie mit Hilfe der Sowjets die Kontrolle über das Land übernommen hatten. Tito wurde zum Diktator Jugoslawiens, das sich 1946 in „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ umbenannte.

Zunächst gab es noch Gespräche darüber Jugoslawien und Bulgarien miteinander zu vereinen, doch der sowjetische Diktator Stalin lehnte die Idee ab. Einige im Westen versuchten sich in der Folge an einer Romantisierung des Nachkriegs-Jugoslawien als „gute“ kommunistische Diktatur, die es ablehne, von der Sowjetunion dominiert zu werden. An dieser Stelle sei versichert, dass es nichts dergleichen war und das Regime genauso unterdrückerisch, brutal und kriminell wie jede andere kommunistische Diktatur war.

Ethnische Spannungen wurden unterdrückt, aber niemals gelöst und die Wirtschaftsleistung pendelte zwischen schwach und desaströs. Am Ende fiel das kommunistische Regime auseinander, ebenso wie Jugoslawien. Ein brutaler Bruderkrieg brach aus und hinterließ Narben, die noch heute nicht verheilt sind. Slowenien, Kroatien und später Bosnien lösten sich von Serbien und Montenegro. Letzteres wurde 2006 unabhängig, womit Serbien wieder auf sein Kernland begrenzt wurde. Die schlechten Nachrichten rissen für Serbien nicht ab, im Jahr 2008 erklärte sich auch die Region Kosovo für unabhängig.

König Peter II. bekam vom Zerfall des Reiches nichts mehr mit. Er verstarb 1970 im Exil. Neues Haupt der königlichen Familie Serbiens und damit Thronanwärter wurde sein Sohn Kronprinz Alexander (der König Alexander II. wäre). Ein sehr erfolgreicher Royal, der seit seiner Geburt zu einem Leben im Exil gezwungen war.

Rückkehr nach Serbien

Es war ein glücklicher Tag, als Kronprinz Alexander 1991 nach Serbien zurückkehrte. Nach dem Fall des letzten sozialistischen Diktators im Jahr 2000 verlegte er seinen Wohnsitz dauerhaft nach Serbien. Die Staatsbürgerschaft der Karageorgevich Familie wurde wiederhergestellt, ebenso wie die Nutzungsrechte ihres Eigentums. (die tatsächliche Rückerstattung des Besitzes ist noch nicht abschließend geklärt). Kronprinz Alexander wurde bald zu einer respektierten Figur im nationalen Leben der Serben.

März 2015: Kronprinz Alexander gedenkt seiner Großmutter Maria an ihrem 45. Todestag
März 2015: Kronprinz Alexander gedenkt seiner Großmutter Maria an ihrem 45. Todestag

Auf gewisse Weise ist er ein Beispiel für alle exilierten Royals überall auf der Welt. Kronprinz Alexander brachte sich in verschiedenen politischen Fragen ein und argumentiert offen für die Wiederherstellung der Monarchie und ihrer Überlegenheit als Regierungssystem.

Die serbisch-orthodoxe Kirche unterstützt eine Restauration der Monarchie, die Unterstützung für die königliche Familie wächst in der Bevölkerung. Es ist bedauerlich, dass sich die Mächtigen in Belgrad an ihre Stühle klammern und eine Wiederherstellung der serbischen Monarchie dis dato zu verhindern wissen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es jedoch große Hoffnungen und Gründe auf eine Wiedergeburt der Monarchie in naher Zukunft zu hoffen.

Unter dem Strich kann man den Fall der serbischen Monarchie als nichts anderes als üblen Verrat bezeichnen. Die Serben kämpften für Jahre verbissen um ihre Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Der 1. Weltkrieg traumatisierte die Nation, aber endete mit einem großen Sieg für Serbien. Mit Jugoslawien schien der Traum einer Vereinigung aller slawischen Balkanvölker endlich Wirklichkeit geworden zu sein. Doch brachte dies auch unerwünschte Nebeneffekte. Hatte der Nationalismus Serbien früher angetrieben, so wurde er jetzt zum Verhängnis. Serbien erbte viele der Probleme, unter denen Österreich-Ungarn einst litt.

Mit Blick auf die heutige Situation erscheint fraglich, wie lange ein Königreich Jugoslawien im 20. Jahrhundert überlebt hätte. Dennoch muss das kriminelle Vorgehen, das zu seinem Sturz führte, auch als solches gebrandmarkt werden. Durch die Doppelzüngigkeit der Alliierten wurde König Peter II. ebenso betrogen wie die heroisch kämpfenden royalistischen Chetniks in ihrem hoffnungslosen Kampf gegen die Feinde des Königreichs. Die Monarchie wurde nicht durch eine Revolution, einen Aufstand oder ein demokratisches Referendum zu Fall gebracht – es wurde durch die Alliierten verraten. Ein dunkles Kapitel in der serbischen Geschichte – hoffentlich mit einem baldigen „Happy End“.

Kaiser Karl I. von Österreich

karl-i-kaiser-oesterreichDer letzte Kaiser von Österreich und König von Ungarn wurde am 17. August 1887 als Sohn von Erzherzog Otto Franz von Österreich und der Prinzessin Maria Josepha von Sachsen geboren. Seine kaiserliche Hohheit wurde auf den Namen Karl Franz Joseph Ludwig Hubert Georg Otto Marie von Habsburg-Lothringen getauft und sollte auf vielerlei Weise ein Symbol für das traditionelle Europa sein, das mit dem 1. Weltkrieg endgültig zu Grabe getragen wurde.

Der spätere Kaiser Karl I. war von Kindesbeinen an ein eher ruhiger, besonnener und tiefreligiöser Mensch. Da in der Thronfolge Erzherzog Franz Ferdinand an erster Stelle stand, erwartete niemand, dass Karl später einmal den Thron besteigen würde. Nach seinen Jugendjahren begann er, wie man es von ihm erwartete, eine Karriere beim Militär.

Zita in jungen Jahren
Prinzessin Zita von Bourbon-Parma

1911 heiratete er ihre kaiserliche Hohheit Prinzessin Zita von Bourbon-Parma. Die zwei waren einander tief verbunden und hatten viel gemeinsam. Beide waren ergebene Katholiken. Was nicht überrascht, waren durch ihre Heirat doch die zwei „katholischsten“ königlichen Familien Europas wieder einmal vereint – die Habsburger und die Bourbonen.

Der 1. Weltkrieg – das alte Europa schwindet

Erzherzog Karl und Erzherzögin Zita ließen sich nieder und führten ein ruhiges und zufriedenes Familienleben, als sich ihr Leben 1914 schließlich für immer ändern sollte. In Sarajevo war Erzherzog und Thronerbe Franz Ferdinand von einem serbischen Nationalisten ermordet worden. Dies würde nicht nur zum 1. Weltkrieg führen, sondern es machte Karl in Zeiten einer schweren Krise zum Erben des Throns von Österreich-Ungarn. Denn jeder wusste, dass der ehrwürdige Kaiser Franz Josef I. – mittlerweile 84-jährig – nicht mehr lange leben würde.

Kaiser Karl von Österreich Ungarn
Unerwartet Thronerbe: Kaiser Karl I.

Karl hatte wenig Zeit sich auf die neue Aufgabe vorzubereiten. Und er musste seine Zeit zwischen seinen Pflichten als Armeekommandeur und seinen Verpflichtungen als Thronerbe aufteilen. Erstmals befasste er sich intensiv mit der Politik. Auf dem Schlachtfeld verrichtete er seinen Dienst gut, hatte aber auch mit der hoffnungslosen militärischen Situation Österreich-Ungarns zu kämpfen.

Die italienische Front mit Erzherzog Karl war eine jener Abschnitte, in der die k.u.k Kräfte dauerhaft am erfolgreichsten waren. Doch Karl war unglücklich darüber, dauerhaft von seiner jungen Familie getrennt zu sein.

Als im Jahr 1916 Kaiser Franz Josef I. verstarb, war die Stimmung in Österreich-Ungarn gedrückt. Die meisten Leute konnten sich nicht mehr an Zeiten ohne Franz Josef I. als Kaiser erinnern, als Karl den Thron als Kaiser Karl I. von Österreich und König Karl IV. von Ungarn bestieg.

1916 - Krönung in Budapest
1916 – Krönung in Budapest

Aufgrund der Kriegsumstände wurde auf eine Krönungszeremonie in Wien verzichtet. Doch eine Krönung in Ungarn war erforderlich, Karl nahm seinen Eid als apostolischer König von Ungarn sehr ernst. Er sah die Monarchie als heilig an, eine Pflicht gegenüber Gott und seinen Leuten, sie zu schützen und sich für ihre Belange einzusetzen.

Zu jener Zeit standen die Dinge bereits sehr schlecht für Österreich-Ungarn. Vom Krieg ausgeblutet und unter schlechter Versorgungslage leidend, drohten ethnische Nationalisten das Habsburger Imperium auseinander zu reißen.

Kaiser Karl I. reagierte und wechselte das militärische Oberkommando aus und begann mit Plänen, den einzelnen Völkern eine größere Autonomie zuzusprechen. Ideen zu einem „Vereinigte Staaten von Groß-Österreich“ existierten bereits unter dem erschossenen Thronfolger Franz Ferdinand. Den Slawen im Reich sollten gleiche Rechte wie den Deutsch-Österreichern und den Ungarn verliehen werden. Doch ehe der Krieg nicht enden würde, war die Umsetzung solcher Vorhaben unmöglich. Und der Krieg zog sich in die Länge, was Österreich-Ungarn zunehmend ermüdete und es abhängiger von der deutschen Unterstützung machte.

Kaiser Karl I. war gegenüber den Deutschen immer etwas misstrauisch. Obwohl er erkannte, dass Österreich-Ungarn ohne ihre Hilfe zerschmettert werden würde, sah er auch die Gefahr von ihnen in einen überlangen Krieg gezogen zu werden, an dessen Ende niemand mehr als Gewinner darstünde.

Benedikt XV. - genannt "der Friedenspapst"
Benedikt XV. – genannt „der Friedenspapst“

Als Papst Benedikt XV. nach drei Jahren Krieg im August 1917 seine bekannte Friedensnote veröffentlichte und für ein Kriegsende ohne Sieger oder Verlierer und Rückkehr zum Status Quo plädierte, wurde er entweder ignoriert oder man machte sich über ihn lustig.

Der Katholik Karl war als Einziger bereit, der Idee des Papstes eine Chance zu geben. Doch er musste sehr vorsichtig vorgehen, denn wenn seine separaten Friedensbemühungen beim deutschen Verbündeten bekannt würden, käme es zu einem Eklat zwischen den beiden.

Kaiser Karl nutzte die Familienverbindung von Kaiserin Zita, einer bourbonischen Prinzessin, um mit deren Brüdern Prinz Sixtus und Prinz Xavier in Kontakt zu kommen. Beide dienten in der belgischen Armee an der Westfront. Dies schien ein erfolgsversprechender Weg zu sein, da auch König Albert I. von Belgien einem friedlichen Ende des Krieges positiv gegenüberstand.

Bedauerlicherweise liefen die Dinge nicht wie geplant. Die Alliierten forderten Konzessionen von Deutschland und dem Osmanischen Reich, die der Kaiser von Österreich-Ungarn natürlich nicht versprechen konnte. Die Briten und Franzosen hatten zudem jegliche Friedenbemühungen mit den Habsburgern von vornherein ziemlich unmöglich gemacht, da sie durch Geheimverträge den Italienern, Serben & co. große Teil der Habsburger Ländereien versprochen hatten, sollten sich diese den Alliierten anschliessen.

Die kaiserliche Familie
Die kaiserliche Familie

Die Friedensbemühungen kamen zum Stillstand und als ob es nicht schlimmer kommen könnte, kam die ganze Sache an die Öffentlichkeit. Die Deutschen waren außer sich vor Wut über den Alleingang des Kaisers, als der französische Premierminister Georges Clemenceau die Sixtus Briefe öffentlich machte.

Damit waren jegliche Versuche Österreich-Ungarns einen Frieden herbeizuführen fehlgeschlagen. Und man war an Deutschland bis zum Ende des Konflikts gebunden. Im Laufe des Kriegsjahres nahmen die Spannungen mit ethnischen Nationalisten immer weiter zu, die von den Alliierten propagandistisch und materiell unterstützt wurden. US-Präsident Woodrow Wilson ermutigte sie z.B. mit seinem Ruf nach ethnischer Selbstbestimmung.

Kaiser Karl kämpft um den Erhalt des Reichs

Die Situation war dramatisch. Kaiser Karl tat alles, um sein zerbröckelndes Reich zu erhalten. Die polnischen Ländereien entließ man in die Unabhängigkeit, das Reich sollte sich in eine Konförderation von autonomen Staaten unter der Habsburger Krone wandeln.

karl-iDoch dies war nicht mehr genug, um die ethnischen Spannungen im Reich zu beruhigen. Es war auch nicht in Einklang mit den alliierten Plänen zu bringen, die bereits den neuen Kunststaat Tschechoslowakei anerkannt hatten und alle slawischen Ländereien der Habsburger den Serben zusprachen (woraus später Jugoslawien werden sollte). Nachdem diese Gebiete ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, löste Ungarn die Personalunion mit Österreich am 31. Oktober 1918 auf. In Österreich forderte man den Kaiser zu Abdankung auf.

Abdankung und Exil

Als ein Mann, der das Königtum als eine heilige Aufgabe sah, weigerte sich Karl abzudanken. Er zog sich jedoch aus der Regierung zurück, nachdem er erkannte, dass das Land nicht länger unter seiner Kontrolle war. Er bemerkte einmal, er habe kein Recht eine Pflicht aufzugeben, die ihm von Gott alleine gegeben war.

Im Jahr 1919 ging der Kaiser mit seiner Familie ins Exil in die Schweiz. Wobei Karl immer noch seine Souveränität betonte und bemerkte, dass die Handlungen der neuen Regierungen in den Augen des Hauses Habsburg keine Legitimität hätten. Er dachte beständig an die Möglichkeit einer Restauration der Monarchie. In Österreich war die Situation schwierig, doch in Ungarn sahen die Bedingungen weitaus besser aus. Dort kämpften mehrere Fraktionen um die Macht und die Monarchisten waren eine mächtige Gruppierung. Zumindest dem Namen nach wurde die Monarchie unter Admiral Miklos Horthy erhalten, der sich selbst zum „Regenten in Abwesendheit des Königs“ (Karl) ernannte.

Miklos Horthy
Admiral Miklos Horthy

Doch obwohl Kaiser Karl zweimal 1921 versuchte nach Ungarn zurückzukehren – jeweils mit großer Unterstützung – lehnte es Horthy jedes Mal ab, die Macht abzugeben und unternahm alles zur Verteidigung seiner Position. Als es schließlich zu einer Schießerei zwischen Anhängern des Königs und Horthys kam, bei denen 19 Männer den Tod fanden, gab Karl nach. Er wollte nicht der Auslöser eines Bürgerkriegs sein und kehrte in sein Exil zurück.

Dort wollten die Schweizer den Kaiser nun allerdings nicht mehr haben. Die Alliierten hatten Vorkehrungen getroffen, um eine Restauration der Habsburger zu verhindern. Als Resultat verfrachtete man Karl mit seiner Familie auf die portugiesische Insel Madeira, wo man ihn leicht kontrollieren könne. Die Lebensbedingungen waren schlecht und als der Kaiser sich auf einem seiner ausgedehnten Spaziergänge eine Erkältung einfing, entwickelte sich diese zu einer Lungenentzündung. Zwei Herzinfarkte folgten und der letzte Kaiser von Österreich und König von Ungarn starb am 1. April 1922 in Anwesendheit seiner Frau Zita und ihrer acht Kinder. Das jüngste Kind zu jener Zeit noch ungeboren.

Viele gemeine und herzlose Dinge waren während seiner Lebzeiten über Karl gesagt worden – und manche sogar noch nach seinem Tod. Doch viele mehr beschrieben ihn als einen großen Mann, der für seine Güte und Gutherzigkeit verachtet wurde. Diese Güte und Gutherzigkeit fand ihre letzte Anerkennung am 03. Oktober 2004, als Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. den ehemaligen Kaiser Karl I. selig sprach. Am 21. Oktober jeden Jahres wird ihm seitdem alljährlich gedacht.

Königin Carlota Joaquina von Portugal

181Das sie später einmal die Gemahlin des portugiesischen Königs werden sollte, ahnte niemand bei der Geburt von Carlota Joaquina Teresa Caetana am 25. April 1775 in Aranjuez. Das sie später in Lateinamerika viel bekannter als auf der iberischen Halbinsel sein würde, noch viel weniger. Vor allem nicht bekannt für etwas, das sie tat, sondern für etwas, das sie womöglich hätte erreichen können.

Die Tochter von König Carlos IV. und seiner Gemahlin Maria Luisa von Parma (eine Enkeltochter Ludwig XV. von Frankreich) wurde in der typischen Mode ihrer Zeit erzogen. Sie galt als nicht sonderlich hübsch und so entschied man sich sehr früh, aktiv eine gute Partie für sie zu suchen. Diese fand sich mit einem portugiesischen Prinzen, dem späteren König João VI.. Die Verbindung würde nach Hoffnung des spanischen Throns zur Stärkung der spanisch-portugiesischen Beziehungen beitragen.

Wie früh kümmerte man sich um ihre Hochzeit? Nun, sie wurde 1775 geboren und heiratete im Jahr 1785. (am 8. Mai, also kurz nach ihrem 10. Geburtstag) Bevor irgendjemand zu schrecklichen Schlußfolgerungen gelangt – es ist bekannt, dass die Ehe erst 1790 vollzogen wurde.

Königin Carlota
Die junge Carlota

Die junge Frau kämpfte schon bei Ankunft in Portugal mit der Skepsis ihrer neuen Untertanen. Würde Spanien die Hochzeit politisch nutzen, um Portugal in eine Union zu zwingen?

Portugiesische Amtsträger verhörten diskutierten angeblich vier Tage lang mit ihr über die spanischen Pläne. Doch die künftige Königin war sehr aufgeweckt und klug und zerstreute alle Befürchtungen.

Mehr Pflicht: Die Ehe mit João VI.

Wir haben in diesem Blog bereits über glückliche und segensreiche royale Verbindungen geschrieben. Seien es die Ehen von Kaiserin Maria Theresia oder Otto der Große. Im Fall von Königin Carlota Joaquina war die Verbindung eher eine Pflicht.

Beide Seiten fanden einander wenig anziehend. König João VI. beklagte sich über einen Mangel an Anstand und Intelligenz, die Königin charakterisierte ihren Gatten hingegen als langweilig und frömmelnd. Was beide allerdings nicht davon abhielt, miteinander neun Kinder zu zeugen. Pflicht ist Pflicht ist Pflicht …

João wird überraschend zum König

Zunächst sah es nicht danach aus, als würde João jemals den Thron besteigen. Doch als sein älterer Bruder Prinz José überraschend 1788 verstarb, wurde er zum Herzog von Braganza und Prinz von Brasilien. Die Anhänger der „Aufklärung“ waren mit João VI. als König aber unzufrieden. Er galt als traditioneller und religiöser als sein verstorbener älterer Bruder, auf den man alle Hoffnungen gesetzt hatte.

König Joao VI.
Portugals König Joao VI.

Auch die Hochzeit des Paares erzeugte wenig Begeisterung in Portugal. Der korpulente João und die als wenig hübsch betrachtete Carlota waren zeitlebens im Volk eher mäßig beliebt. Königin Carlota Joaquina leistete sich durch ihre freimütige Art, Dinge unverblümt anzusprechen mehr als einmal einen faux-pas. Ihre Schwiegermutter, Königin Maria I., musste mehrmals eingreifen, um ihre Schwiegertochter zu bändigen.

Auch dieses Verhalten trug dazu bei, dass die Königin in der Öffentlichkeit kein gutes Bild abgab. Zahlreiche Gerüchte wurde gestreut. Die Königin plane einen Komplott gegen das Königshaus. Die Königin vergifte ihre Schwiegermutter. Die Königin habe unzählige außereheliche Liebschaften. Bei letzterem dürfte eher der Wunsch Vater des Gedanken gewesen sein – Hinweise gibt es nämlich keine. Königin Carlota war sicherlich keine Heilige, aber ihr Problem bestand in erster Linie darin, dass sie Spanierin war.

Dabei sollte sich am Ende nicht Spanien als die große Gefahr Portugals erweisen, sondern Frankreich. Unter der Führung Napoleon Bonapartes fielen französische Truppen auf der iberischen Halbinsel ein und eroberten zunächst Spanien und anschließend Portugal. Die königliche Familie floh 1807 nach Brasilien.

Ein neues Königreich in Südamerika?

In Südamerika angekommen, erkannte Königin Carlota die schwierige Situation ihrer spanischen Landsmänner. Die spanische Heimat war von Franzosen besetzt, die von José Bonaparte – dem ältesten Bruder Napoleons – regiert wurde. König Fernando VII. war de-facto entmachtet. Mehrere Fraktionen suchten dieses Chaos für ihre eigenen Pläne zu nutzen. Darunter auch Königin Carlota.

Da sich ihr jüngerer Bruder König Fernando VII. von Spanien in Frankreich in Hausarrest befand, entschied Königin Carlota, dass sie die letzte verbliebene Repräsentantin eines „freien Spanien“ sei. Mit diesem Anspruch bemühte sie sich, die Kontrolle über die spanischen Kolonien in Amerika zu erlangen.

Erste Königin La Platas?
Erste Königin La Platas?

Am Ende gipfelten die Bemühungen darin, Carlota zur Königin des bisherigen Vizekönigreichs Rio de la Plata zu machen, welches große Teile des heutigen Argentinien, Uruguay, Paraguay und Bolivien enthielt.

Die portugiesisch-brasilianischen Truppen begannen mit der Annektion von Gebieten in der Region. Carlota sicherte sich die prominente Unterstützung des argentinischen Nationalhelden General Manuel Belgrano. Doch auch die Gegenseite unter den Vizekönigen hatte sich formiert und die Unterstützung Großbritanniens gesichert.

Es gab Pläne, oder zumindest Gerüchte von Plänen, wonach Carlota eine Armee zusammenstellte und auf Buenos Aires marschieren würde, um sich zur „Königin von La Plata“ krönen zu lassen. Doch das Vorhaben scheiterte an der mangelnden Unterstützung der lokalen Eliten und der Opposition aus dem Ausland.

Es ist heute eine spannende Überlegung, wie wohl die Geschichte verlaufen wäre, hätte sich in Südamerika seinerzeit eine derart große Monarchie von Blutsverwandten der spanischen Königsfamilie etabliert.

Napoleon besiegt – Rückkehr zur Normalität?

Mit dem Ende der Napoleonischen Kriege endete schließlich auch dieses Kapitel und Carlota musste sich wieder damit begnügen, die Königsgemahlin Portugals zu sein. Als sie mit ihrem Mann und dem Rest der Familie 1821 nach Portugal zurückkehrte, hatte sich das Land dramatisch verändert – und nicht zum Besseren hin.

Revolutionäre Ideen waren aufgekommen und verbreiteten Unruhe im Land. Ein Aufstand Liberaler resultierte in der Proklamation der ersten portugiesischen Verfassung, die Portugal in eine konstitutionelle Monarchie verwandelte. König João VI. willigte ein.

Carlota war außer sich vor Wut. Sie wollte die Rückkehr zur traditionellen absoluten Monarchie und hegte den Verdacht, dass ihr Mann nicht mehr bei Verstand war, auf die Bedingungen der Aufständischen einzugehen. Der König war selbst nicht glücklich darüber, aber er sah keine andere Möglichkeit für sein Land.

Königin Carlota und ihr Komplott

Die Königin als junge Frau
Die Königin als junge Frau

All die Gerüchte über angebliche Komplotte seitens der Königin wurden schließlich wahr. Gemeinsam mit ihrem Sohn Prinz Miguel, dem Kommandanten der portugiesischen Armee, stellte sie ihren Ehemann unter Hausarrest. Sie wollten seine Abdankung zugunsten Miguels erzwingen, um Portugal wieder zur absoluten Monarchie zurückzuführen.

Doch das Vorhaben sollte misslingen. König João VI. gelang es mit Hilfe der Briten wieder an die Macht zu kommen. Seine Frau und ihr Sohn gingen ins Exil nach Österreich, wobei Carlota bald schon die Rückkehr gestattet wurde. König und Königin lebten jedoch fortan in zwei getrennten Palästen, das Vertrauen war erschüttert.

Neuer Ärger: Brasilien wird unabhängig

Der nächste Familienstreit kam im Jahr 1822 auf das kleine Land zu, als sich Sohn Pedro zum Kaiser Pedro I. von Brasilien ausrief. João VI. war darüber wenig erfreut, doch die Briten überredeten ihn dazu, die Unabhängigkeit Brasiliens im Jahr 1825 anzuerkennen. Der König starb im Jahr darauf. Königin Carlota vermutete öffentlich, dass Freimaurer den König vergiftet hätten, um den „liberalen“ Sohn Pedro I. von Brasilien auf den portugiesischen Thron zu bringen. Zum ersten Mal würde Brasilien über Portugal regieren. Pedro I verzichtete jedoch – auch aufgrund der Gerüchte – zu Gunsten seiner siebenjährigen Tochter Maria und blieb als Kaiser in Brasilien zurück.

Es wäre zu erwarten gewesen, dass Königin Carlota bis zur Volljährigkeit der Enkeltochter die Regenschaft übernimmt. Doch dies wurde ihr nicht gestattet, aus Angst, sie könne die Macht an sich reißen. Unzufrieden mit der Aussicht ein kleines Mädchen aus dem „liberalen“ Brasilien auf dem Thron zu sehen, erklärte die konservative Fraktion Portugals den exilierten Prinzen Miguel zum König von Portugal. Noch bevor Maria überhaupt in Europa angekommen war. Die Bühne war für einen Bürgerkrieg bereitet.

Königin Carlota sollte dies jedoch nicht mehr erleben. Sie verstarb am 07. Januar 1830 im Alter von 54 Jahren im Queluz Palast nach einem bewegenden und kontroversen Leben.

König Zahir Shah von Afghanistan

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Der letzte König Afghanistans wurde als Mohammed Zahir Shah am 15. Oktober 1914 in Kabul geboren. Er gehörte dem Haus der Barakzai an, die in Afghanistan seit dem Fall des Durrani Reichs 1826 die Macht ausübten. Seinerzeit folgte dem Fall der Durrani eine Periode des Chaos im Land, bei der Afghanistan in rivalisierende Stämme zerfiel. Eine Situation, die uns heute sehr bekannt vorkommt.

Aus diesem Chaos erwuchs Dost Mohammad Khan als Emir von Afghanistan. Zwar verlor er im 1. Anglo-Afghanischen Krieg mit den Briten den Thron kurzzeitig, kehre danach jedoch zurück und seine Familie würde bis zum Ende der Monarchie 1973 über das Land herrschen.

König Nadir Shah
König Nadir Shah

Das Emirat Afghanistan wandelte sich schließlich unter seinem Nachfolger Amanullah Khan in ein Königreich. Er verminderte den britischen Einfluss in Afghanistan und startete eine radikale Reformierung des Landes, was in der Folge jedoch zu fortwährenden Konflikten führte.

1929 bestieg schließlich Mohammed Nadir Shah als vorletzter König den Thron. Er hatte zwar die Unterstützung der Briten, aber rang mit radikalen Stammesführern, Druck seitens der Sowjetunion und wiederkehrenden Revolten. 1933 fiel er einem Mordkomplott zum Opfer. Afghanistan bekam mit seinem erst 19-jährigen Sohn Mohammed Zahir Shah einen neuen König.

1933: König Zahir Shah besteigt den Thron

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König Zahir Shah

Mohammed Zahir Shah war ein gebildeter und vorausdenkener Mensch. Unter seiner Regentschaft sollte Afghanistan zur Ruhe kommen und internationale Anerkennung erwerben. Afghanistan trat zunächst dem Völkerbund bei, etablierte diplomatische Beziehungen vielen Staaten und unterzeichnete Handelsverträge mit einer Vielzahl von Ländern, vom japanischen Kaiserreich bis nach Europa.

Als in Ost-Turkestan (Xinjiang) eine uigurische Rebellion gegen die Chinesen losbrach, unterstützte er die muslimischen Rebellen mit Kontingenten afghanischer Freiwilliger. Die Rebellion wurde allerdings durch die Übermacht der Republik China geschlagen und alle afghanischen Freiwilligen hingerichtet.

Innenpolitisch bewies König Zahir Shah zunächst ein glücklicheres Händchen. Im Gegensatz zu seinem Vater und Großvater ging er bei seinen Reformen wesentlich behutsamer vor. Dabei kämpfte er stets mit einer chronisch leeren Staatskasse und einer praktisch nicht vorhandenen Infrastruktur. Nach Ende des 2. Weltkriegs wurde in Jalalabad die heute zweitgrößte Universität des Landes gegründet, nachdem unter seinem Vater bereits die Kabul University entstand, die König Zahir Shah weiter ausbaute.

Um 1950: Männer und Frauen fahren gemeinsam im Bus
Kabul um 1950: Männer und Frauen fahren gemeinsam Bus

Es wurden zahlreiche Bewässerungsanlagen angelegt, um den Ernteertrag zu steigern und der Bau von Straßen und Eisenbahnlinien fortgesetzt. So wurden Nord- und Südafghanistan durch den Bau eines Tunnels durch den Salang Pass endlich miteinander verbunden. Auch Flughäfen wie der Airport in Kabul, in Mazar-e-Sharif, in Herat oder Kandahar wurden erbaut. Zu dieser Zeit holte Afghanistan mit großen Schritten auf den Rest der Welt auf. Auch Touristen und ausländischen Spezialisten öffnete sich das Land – einer Tatsache, der wir heute viele spannende Fotos und Erfahrungsberichte zu verdanken haben.

Afghanistan erhielt eine neue Verfassung und wurde zu einer funktionsfähigen konstitutionellen Monarchie. Der König ging in der Folgezeit noch weiter und führte neben der Gleichberechtigung der Frau auch das allgemeine Wahlrecht für beide Geschlechter ein.

Der Widersacher im eigenen Palast

Nicht jeder war damit einverstanden. Nicht nur in den ländlichen Regionen kam es immer wieder zu Konflikten, auch im königlichen Palast selbst. Mohammaed Daoud Khan, ein Cousin des Königs, diente in den 1950er Jahren als Premierminister. Nach einigen Misserfolgen und Alleingängen entließ ihn der König schließlich aus dem Dienst.

Daoud Khan
Daoud Khan

Daoud Khan war jedoch ein Mann mit großen Ambitionen, womit er am Ende zum Ruin seines Landes beitrug. Obwohl es in seinem eigenen Land noch viel Arbeit zu tun gab, sah er über die Grenzen hinaus und träumte von der Schaffung einer großen Nation aller Pashtunen. (Die Pashtunen sind die dominante ethnische Gruppe Afghanistans)

Es lebten aber auch viele Pashtunen im damals noch jungen Nachbarstaat Pakistan. Der Paschtunen-Nationalismus des Daoud Khan beunruhigte die pakistanische Führung. Obwohl das arme Königreich nicht gerade in Geld schwomm, versorgte Daoud Khan heimlich paschtunische Milizen an der Grenze zu Pakistan mit Geldern und stachelte einen Konflikt mit Pakistan an.

Die Reaktion der Gegenseite überraschte kaum – Pakistan schloss die Grenze zu Afghanistan und kündigte den Handel mit Afghanistan auf. Für Afghanistan war dies eine strategische Katastrophe, denn nun verblieb nur noch die Sowjetunion als bedeutender Wirtschaftspartner. Die Sowjets widerrum waren allzu bereit Daoud Khan zu unterstützen, stellten dabei allerdings sicher, Afghanistan immer abhängiger von sich zu machen. Die Sowjetunion verlangte Jahr für Jahr mehr Einfluss. Der König, stets darauf bedacht Afghanistan im Kalten Krieg neutral zu halten, war sehr unglücklich darüber.

Schließlich brach der schwelende Konflikt an der afghanisch-pakistanischen Grenze aus. Es kam zu offenen Gefechten, die nicht gut für die afghanische Seite liefen. Dazu kam eine wachsende Unzufriedenheit der anderen Stämme mit dem Regime des Daoud Kahn, das ausschließlich von Paschtunen dominiert wurde. Der König entließ ihn 1963 und bemühte sich, die Stämme an einen Tisch zu bringen. Mit einer neuen Verfassung wurde festgelegt, dass Mitglieder der Königsfamilie keine Position mehr im Ministerrat bekleiden dürfen. Er bemühte sich auch um den Wiederaufbau guter Beziehungen mit Pakistan und schaffte tatsächlich, dass die Grenze wieder geöffnet wurde.

Daoud Khan plant seine Rache

Daoud Khan war damit natürlich nicht nicht zufrieden. Er hegte einen Groll gegen den König, der ihn abgesetzt hatte und wollte die Macht zurückerlangen. Er nahm sich fest vor die Monarchie dabei abzuschaffen, so das ihn nicht wieder ein König aus seinem Amt fortjagen könne.

Flagge der volksdemokratischen Partei
Flagge der volksdemokratischen Partei

Es ist auch wert der Tatsache Beachtung zu schenken, dass – obwohl sie niemals annährend die Mehrheit hatten – Daoud Khan während seiner Regierungszeit von der demokratischen Volkspartei Afghanistans unterstützt wurde. Dabei handelte es sich um die kommunistische Partei Afghanistans, die ihrerseits von der Sowjetunion stark gefördert wurde.

Die Sowjetunion verfolgte wie überall auch mit Afghanistan das Interesse, eine sozialistische Marionette zu schaffen und war nicht unglücklich darüber, dass die Misserfolge des Daoud Khan das Land in immer stärkere Abhängigkeit zur Sowjetunion brachten.

Das kommunistische Gift war bereits tief nach Afghanistan eingedrungen und Daoud Kahn würde ihnen den Weg zur Macht ebnen, auch wenn er zu ignorant war, dies zu realisieren.

Ein Staatsstreich entmachtet den König

Wie in so vielen Fällen, von Russland über China bis hin zu Kambodscha, so waren es auch hier nicht Kommunisten, welche die Monarchie stürzten und die Macht übernahmen. Dazu fehlt ihnen in der Regel die Stärke. Stattdessen dient immer ein vermeintlich moderates Regime als Steigbügelhalter. Dann kommen die Kommunisten, eliminieren dieses junge, moderate Regime und beanspruchen die absolute Macht für sich selbst.

Zentrum der Intrige: Der Königspalast in Kabul (c) Dr. William Podlich
Drinnen war man unvorbereitet: Königspalast in Kabul (c) Dr. William Podlich

So lief es auch in Afghanistan. Auf feige Art und Weise bereitete Daoud Kahn die Rache an seinem Cousin, dem König, vor. Als der König 1973 zu einer Augenoperation nach Italien reiste, sah er den Moment gekommen und startete einen Staatsstreich. Daoud Kahn erklärte sich zum neuen Präsidenten und das Land zur Republik Afghanistan.

Daoud Khan begann augenblicklich mit der Konsolidierung der Macht in seiner Person und befahl die Ermordung von potentiellen Rivalen. Er etablierte einen Ein-Parteien-Staat, regiert von seiner Nationalen Revolutionspartei. Jegliche politische Opposition wurde verfolgt, inklusive seiner alten kommunistischen „Freunde“ der demokratischen Volkspartei. Die Beziehungen zur Sowjetunion kühlten sich deutlich ab und Daoud Kahn versuchte weitgehend erfolglos neue ökonomische Beziehungen mit Indien und dem Iran anzuknüpfen. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass Moskau schon bald eine Verschwörung gegen den abgefallenen Weggefährten schmiedete.

Staatsstreich Nr. 2 und sowjetische Intervention

Alte Feindschaften kochten wieder hoch. Die islamischen Fundamentalisten erhielten Hilfe von Pakistan, das Daoud Khans frühere Aktionen gegen sie nicht vergessen hatte. Die Sowjetunion half bei der Vereinigung aller kommunistischer Kräfte des Landes in der demokratischen Volkspartei (außer den Maoisten natürlich) und 1978 wurde Daoud nach nur 5 Jahren an der Macht schließlich bei einem Staatsstreich der Kommunisten erschossen. Der König musste all dies aus dem Exil in Italien mitansehen, ohne Eingreifen zu können.

Im nunmehr kommunistischen Afghanistan begann das übliche sozialistische Programm: Enteignungen (getarnt als „Landreform“), Abschaffung der Traditionen und die Einführung des Atheismus als Staatsräson. Dies konnte in einem tiefgläubigen muslimischen Land natürlich nicht gut gehen. Praktisch sofort formierten sich anti-kommunistische Truppen. Die neuen roten Herrscher Kabuls riefen daraufhin die Sowjetunion zur Hilfe, die 1979 das Land besetzte.

Es dürfte bekannt sein, was nun folgte – der Sowjetarmee gelang es, die Kontrolle über die meisten Städte zu erlangen, hatte in den ländlichen Regionen aber praktisch keinen Einfluss. Eine hauptsächlich muslimische Guerilla bekämpfte, unterstützt von den USA, die Fremden im eigenen Land. Der Konflikt sollte sich bis 1989 hinziehen, ehe die Sowjetunion schmachvoll den Rückzug nach Norden antreten musste.

König Zahir Shah im Exil

König Zahir Shah war die Rückkehr ins Land auch unter den Kommunisten verboten. Ein afghanischer Bürgerkrieg war jedoch das Letzte, was er wollte. Unter der Reagan Administration versuchten die USA den letzten König als Führer einer Exilregierung aufzubauen. Der König reagierte jedoch ablehnend, zu groß war die Angst, sich zu einer Marionette der USA zu machen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die einflussreichsten Rebellenfraktionen jedoch ohnehin schon erklärt, dass sie für das postsowjetische Afghanistan eine islamische Theokratie statt einer Monarchie bevorzugten.

Der König hatte in jener Zeit wenig bis keinen Einfluss auf die afghanische Politik. Doch er war für viele immer noch eine ernstzunehmende Figur im politischen Spiels Afghanistans. 1991 wäre er beinahe einem Mordkomplott durch einen als portugiesischen Journalisten verkleideten Killer zum Opfer gefallen.

Ende des Kommunismus in Afghanistan

Die Ära des Kommunismus endete auch in Afghanistan im Chaos. Zwar gab es eine neue Regierung für die Republik, doch deren Macht beschränkte sich praktisch auf Kabul. Den Vakuum im Rest des Landes füllten die Talibanmilizen aus, die ihrerseits von Pakistan und Saudi Arabien unterstützt wurden. 1996 hatten die Taliban schließlich den Großteil des Landes unter ihre Kontrolle gebracht.

Nachdem die Taliban dem US-Ultimatum nach Auslieferung Osama Bin Ladens nicht folgten, wurde das Land 2001 durch U.S. und alliierte Kräfte invasioniert. Die Taliban wurden zerstört. Praktisch sofort schallten Rufe nach der Wiederherstellung der Monarchie auf. Nur der alte, aber noch rüstige König könne alle Afghanen einen! Für ihn sprach außerdem, dass er sich im Bürgerkrieg von keiner Seite hatte vereinnahmen lassen und dadurch von allen Beteiligten weitgehend akzeptiert wurde.

Der König im Alter
Der König im Alter

Dabei hatte der König durchaus durchblicken lassen, dass er sich eine Rückkehr zu einer konstitutionellen Monarchie vorstellen könne. In einem Interview sagte er:

„Ich hege keine Intention die Monarchie wiederherzustellen. Ich lege keinen Wert auf den Titel „König“. Die Menschen nennen mich Baba (Anm. Anrede eines alten und weisen Mannes) und ich bevorzuge diesen Titel. Sollte die Loya Jirga dies jedoch von mir verlangen, so werde ich die Verantwortung des Staatsoberhaupts übernehmen.“

Die US-Regierung Bush war jedoch gegen diese Bestrebungen, widerspricht die Wiederherstellung einer Monarchie doch fundamental der US-Staatsräson. Und so beschloss Washington stattdessen die Unterstützung des vermeintlich pro-amerikanischen Hamid Karzai als neuen Präsidenten der Republik Afghanistans.

In der Folge wurde dem König der Ehrentitel „Vater der Nation“ verliehen, den er bis zu seinem Tod im Alter von 92 Jahren im Jahr 2007 behielt. Es gibt gegenwärtig keine starken politischen Kräfte für eine Wiederherstellung der Monarchie. Einige favorisieren die gegenwärtige Republik, die meisten sind für eine islamische Theokratie und eine kommunistisch-maoistische Partei ist immer noch auf Ärger aus.

Abschließend muss man König Zahir Shah Respekt für seine Verdienste um Afghanistan zollen. Seine vier Jahrzehnte dauernde Herrschaft sollte eine der stabilsten und erfolgreichsten der afghanischen Geschichte sein. Es wäre interessant zu sehen, wo Afghanistan heute stünde, wäre es nicht zum Staatsstreich gegen ihn gekommen. Mit Sicherheit wäre die Situation im Land heute eine wesentlich bessere. Sein Fehler bestand darin, seinem engsten Kreis zu sehr zu vertrauen, hier insbesondere Cousin Daoud Khan. Als er den Fehler erkannte, war es bereits zu spät. In den Herzen seiner Untertanen wird er dennoch immer als Vater der afghanischen Nation und Regent einer besseren Zeit in Erinnerung bleiben.

Das Königreich Bhutan

bhutan-flagDas Königreich Bhutan ist ein besonderes Land. Das „Land der Donnerdrachen“ ist eine noch recht junge Monarchie. Bhutan ist auch eines der wenigen Länder, die im unseligen 20. Jahrhundert den Weg zur Monarchie fanden, statt sie zu stürzen. Es ist die einzige Monarchie, in welcher der Mahayana Buddhismus offizielle Staatsreligion ist und es ist die letzte unabhängige Monarchie in Zentralasien (nach dem traurigen Ende des Hindu-Königreichs Nepal).

Die meisten Menschen haben von Bhutan nichts oder nur wenig gehört. Bis vor wenigen Jahrzehnten war das Königreich stark isoliert. Wenn, dann wird gern die Geschichte erzählt, wonach man in Bhutan statt eines Bruttosozialprodukts das „Bruttosozialglück“ der Bevölkerung als Kennzahl misst.

In Bhutan war man stets auf den Erhalt der eigenen Tradition bedacht und ignorierte viele Jahre die Welt hinter den eigenen Landesgrenzen. Eine politische Szene existierte praktisch nicht. Die Menschen widmeten sich ihrer Arbeit und ihrem Glauben und die wichtigen politischen Entscheidungen traf ihr verehrter „Drachenkönig“. Mehr als einmal wurde Bhutan als eine verwirklichte Variante des Shangri-La bezeichnet. Jenes legendären Königreichs im Himalaya, in dem es keine Armee, kein Konkurrenzdenken, keine Kriminalität und keine moderne Technik gab, sondern nur ein einfaches und friedliches Leben. Für viele war es wie ein Paradies.

Bhutanische Darstellung des Shabdrung
Bhutanische Darstellung des Shabdrung

Zu seiner heutigen Form vereinte sich Bhutan erst im 17. Jahrhundert. Ähnlich wie im benachbarten Tibet regierte auch in Bhutan eine Reinkarnation des Lamas das Land. Er war der Shabdrung, auch „Dharma Raja“ genannt. Obwohl er die letzte Entscheidung fällte, wurden die alltäglichen Regierungsgeschäfte des Landes von einem Regenten („Druk Desi“ oder „Deb Raja“) geleitet. Die frühen Herrscher Bhutans waren oft tibetanische Lamas, manchmal geflüchtet, manchmal zur Hilfe gerufen.

Gründung des modernen Bhutan

Der Mann, dem heute die Gründung des modernen Bhutan zugeschrieben wird, war Shabdrung Ngawang Namgyel. Er kam im Jahr 1616 als politisch-verfolgter Flüchtling aus Tibet nach Bhutan. Bis zu seinem Tod vereinte er Bhutan bis auf die heute östlichen Provinzen. Er schlug tibetanische Invasionen zurück und bekämpfte erfolgreich die Opposition anderer Fraktionen gegenüber seiner Herrschaft. Geschickt sicherte er sich die Loyalität der Drukpa (Adligen) durch Steuererleichterungen, Titel und Privilegien.

Nachdem ein Großteil Bhutans vereint war, baute er diplomatische Beziehungen zum benachbarten Tibet, Nepal und den indischen Prinzen auf. Er zementierte seine Macht mit dem Bau von Klosterfestungen in allen großen Tälern des Landes. Die meisten stehen auch heute noch und erinnern an jene glorreichen Tage. Das gilt auch für die Verwaltungsstruktur des Landes, die eine sehr lange Zeit kaum verändert wurde.

Bei einer so großen und dominanten historischen Figur war zu erwarten, dass sein Tod ein Vakuum hinterlassen und für Unruhe sorgen würde. Nicht weniger als fünf Männer behaupteten nach seinem Ableben, die wahre Reinkarnation des Shabdrung zu sein. Als einer von ihnen Kontakte zu Tibet aufnahm und um Hilfe bei der Durchsetzung seines Anspruchs bat, kam es zur letzten erfolgreichen Invasion der Tibeter. Wären die tibetischen Lamas nicht eingeschritten und hätten zu Frieden und einem Ende des Kampfes aufgerufen, so wäre Bhutan möglicherweise vollständig erobert und von Tibet annektiert worden.

Emblem Bhutans
Emblem Bhutans

Nachdem drei der vermeintlichen Reinkarnationen verstorben waren, sandten die verbliebenen beiden 1734 Botschafter zum Manchu Kaiser in Peking. Man erhoffte sich von ihm eine Entscheidung, doch dieser war nicht interessiert. Bhutan war mittlerweile gegenüber Tibet tributpflichtig geworden. Tibet wiederum hatte dem Manchu Kaiser in China Tribut zu entrichten. Man könnte sagen, Bhutan verlor nach der tibetischen Invasion seine Souveränität. Doch in der Region war praktisch jedes andere Königreich – von Vietnam über Korea bis hin zur Mongolei – ebenfalls gegenüber dem imperialen China tributpflichtig.

Nachdem der Streit zu Hause beigelegt war, etablierte sich wieder eine funktionsfähige buddhistische Theokratie. Ähnlich wie in Tibet hatte der Shabdrung allerdings nur nominal die Macht inne. In Wahrheit übten der Regent bzw. lokale Adlige die Macht aus. Bhutan begann zu wachsen und zu expandieren. Dies ließ die Briten auf das Land aufmerksam werden, nachdem bhutanische Truppen im nördlichen Indien (Sikkim und Cooch Behar) einfielen.

Die Briten kommen nach Bhutan

Die Briten sandten eine Militärexpedition aus, welche die Bhutaner 1772 vertrieb und einige ihrer Grenzfestungen einnahm. 1774 wurden diese mit Abschluss eines Friedensabkommens zurückgegeben, während Bhutan auf seine Neueroberungen verzichtete. In der Folge kam es jedoch immer wieder zu Grenzscharmützeln mit britischen Truppen.

Während dieses Konflikts hatten Bhutan und Nepal die Hilfe des Panchen Lama von Tibet gesucht. Man fürchtete sich vor der Expansion der Briten im benachbarten Indien. Denn die Briten verstärkten ihre Präsenz in der Region zunehmend und begannen bereits, ein größeres Interesse an Tibet und Bhutan an den Tag zu legen.

Der Regent zu dieser Zeit war Tritrul Jigme Senge. Er war auf Stabilität für sein Land bedacht und wollte weder Rebellionen noch einen Krieg provozieren. Als er 1788 sein Amt aufgab, folgten mehrere Jahrzehnte des Chaos und der Instabilität unter verschiedenen Regenten. Einige versuchten gemeinsam mit dem Shabdrung zu regieren, vermutlich um ihren Machtanspruch durch die starke religiöse Bindung zu zementieren. Wieder andere suchten Hilfe bei ausländischen Lamas. Doch keiner konnte Bhutan seine Stabilität wiedergeben.

Im Jahr 1808 gipfelten die Streitigkeiten schließlich im Konflikt zwischen Lama Tsultrim Drakpa und dem Shabdrung Jigme Drakpa. Ab hier wird die Geschichte dann sehr kompliziert. Insbesondere für Außenstehende ohne profunde Kenntnis des Buddhismus. Mit Yeshe Gyelsten taucht nun plötzlich eine dritte Fraktion auf, die sich als „wörtliche Inkarnation“ des Shabdrung sieht und sich als Gegenherrscher zur „mentalen Inkarnation“ des Shabdrung sieht. Es kommt zum offenen Bürgerkrieg zwischen den Fraktionen.

Am Ende wird eine Übereinkunft gefunden, beide Regenten würden gemeinsam regieren. Doch bis dieser Kompromiss gefunden wurde, war viel Blut vergossen worden. Bhutan kam jedoch nicht wirklich zur Ruhe. Zum Leidwesen des Shabdrung tauchten mit Regelmäßigkeit immer wieder neue Revolten auf, die fast schon so etwas wie eine nationale Tradition wurden. Doch bald sollte sich dies ändern. Eine neue dynamische Kraft war dabei sich zu etablieren und das Chaos Bhutans zu ordnen.

Der schwarze Regent Bhutans

Jigme Namgyel wurde im Jahr 1825 als jüngerer Sohn einer Adelsfamilie geboren. Die Familie genoß den Ruf gute Krieger zu sein und war spirituell tief im Buddhismus verankert. In seiner Jugend arbeitete Jigme Namgyel als einfacher Hirte, erwarb sich jedoch einen guten Ruf für seine physische Stärke, seinen guten Charakter und seinen gesunden Menschenverstand. Er wurde zu einer der großen Streiter in den häufigen Kriegen und Rebellionen Bhutans.

Bhutanische Rabenkrone
Bhutanische Rabenkrone

Ein Lama schenkte ihm einen besonderen Helm: die erste „Rabenkrone“ Bhutans. Sie soll über die Kraft der bhutanischen Schutzgottheit Mahakala verfügen. Seine zahllosen Siege wurden später auch auf den spirituellen Schutz seines Helmes zurückgeführt, der in verschiedenen Ausführungen bis heute von den Königen Bhutans getragen wird und als Symbol des Königs gilt.

Jigme Namgyel befriedete das Land und wurde als „schwarzer Regent“ bekannt. Wobei die Farbe schwarz in Bhutan (ähnlich wie in China) nicht für Trauer oder Bosheit steht, sondern für Macht, Geld und Einfluss. Jigme Namgyel brachte Bhutan die schmerzlich vermisste Stabilität und Ruhe zurück, konsolidierte seine Kontrolle über das Landes und – weit wichtiger – legte das Fundament für seine Nachfolger.

Der „schwarze Regent“ wurde von seinem Sohn Gongsa Ugyen Wangchuck beerbt. Statt der traditionellen Verbindung mit Tibet schwebte ihm eine Annäherung an Großbritannien vor. Viel Prestige beider Seiten brachte ihm seine Vermittlung bei Streitigkeiten zwischen Tibet und Britisch-Indien ein. Zum Dank wurde er zum Knight Commander of the Indian Empire ernannt.

Nachdem es in der bhutanischen Theokratie in den Folgejahren immer wieder zu Streitigkeiten kam, wurde ein Ausweg gesucht. Dieser fand sich im Jahr 1907, als eine Nationalversammlung Ugyen Wangchuck zum ersten König von Bhutan wählte. Er behielt die Bindungen an das britische Empire bei, ohne jedoch die engen und traditionellen Beziehungen mit Tibet zu vernachlässigen.

Innenpolitisch kam es nach anfänglichen Streitigkeiten um die Königswürde bald zu einer neuen Periode des Friedens für das Königreich im Himalaya. Die Macht wurde auf den Monarchen konzentriert, die Verwaltung des Landes extrem vereinfacht. Dies führte zum Ende des fortwährenden Zyklus aus Rebellionen und Machtkämpfen. Die Menschen im Königreich Bhutan sollten ein glückliches, friedvolles Leben führen können. Weitgehend isoliert von der Außenwelt, mit Ausnahme weniger diplomatische Kontakte mit Indien.

Sowohl der 1. Weltkrieg als auch der 2. Weltkrieg gingen an Bhutan vollkommen spurlos vorbei. Erst unter dem dritten Monarch, König Jigme Dorji, sollten sich wieder Veränderungen für Bhutan ergeben, als dieser eine langsame Modernisierung seines Landes beschloss. Er ließ über 1700km an Straßen bauen und viele Schulen und Krankenhäuser eröffnen.

Gegen Ende seiner Regenschaft wurden dann noch weitere Schritte unternommen. Er etablierte eine Nationalversammlung und einen Obersten Gerichtshof für Bhutan. Doch auch wenn der König das Recht einräumte, ihn mit einer 2/3 Mehrheit zu entthronen, so blieb Bhutan doch eine absolute Monarchie. Diese Schritte in Richtung westlicher Demokratie wurden von den meisten Leuten kaum wahrgenommen.

Weit mehr Aufmerksamkeit fand die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen mit der Außenwelt. Nötig wurde dies durch die zunehmende Aggression des kommunistischen China gegenüber Bhutan. Die Idee eines bewaffneten Konflikts war für die Menschen in Bhutan eine verblasste Erinnerung geworden. Sie hatten ihren verehrten und geliebten König, ihren buddhistischen Glauben und starke Bindungen mit den benachbarten Königreichen Tibet und Indien. Die Menschen waren zufrieden und konnten ihr Leben leben. Kaum jemand in Bhutan konnte sich mehr an andere als diese Zeiten erinnern. Die Dinge waren ideal für Bhutan. Doch plötzlich startete sich die Welt um sie herum stark zu verändern.

Die Welt um Bhutan verändert sich

Zunächst war da der Kollaps des Britischen Empire und damit auch des Britisch-Indischen Empire. Für Bhutan war dies problematisch, denn das Britische Empire hatte stets den Status eines freien Bhutans garantiert.

Nun waren die Briten plötzlich verschwunden. Das indische Empire löste sich auf und an seiner Stelle trat eine Republik. Irritiert davon, aber entschlossen die Dinge so weiterzuführen wie bisher, trat Bhutan an die Republik Indien heran. Bhutan erkannte die indische Unabhängigkeit als einer der ersten Staaten an und vereinbarte mit Indien ein Freundschaftsabkommen ähnlich jenem mit dem Britischen Empire. Die Existenz Bhutans schien erneut gesichert und sehr wenig veränderte sich zunächst für das Königreich.

Es war ein Schock für ganz Bhutan, als die kommunistische Volksarmee in das benachbarte Tibet einfiel, den Dalai Lama vertrieb und das Land annektierte. Im Jahr 1959 übernahmen kommunistische Chinesen auch die Kontrolle über bhutanische Exklaven in Tibet, die bis zum heutigen Tag Streitpunkt zwischen dem Königreich Bhutan und der Volksrepublik China bleiben.

König Jigme Dorij
König Jigme Dorij

Auch im Rahmen des Sino-Indischen Krieges 1962 sah König Jigme Dorij, wie wenig das kommunistische China auf die Souveränität seiner Nachbarn Rücksicht nimmt. Damals waren chinesische Kräfte auf bhutanischen Boden eingedrungen und hatten von dort den Kampf gegen Indien geführt. Mit den Jahren wuchs auch der Zweifel an der Fähigkeit Indiens, im Notfall (d.h. einer Invasion Chinas) effektiven Widerstand zum Schutz Bhutans leisten zu können.

Es waren solche Ereignisse, die den König zu seiner behutsamen Modernisierung Bhutans und eine Annäherung an die internationale Gemeinschaft veranlassten.

Ein weiteres Alarmsignal für Bhutan war die Annektierung des nahegelegenen Königreichs Sikkim durch Indien im Jahr 1975. Getrieben von der Angst, das gleiche Schicksal könne seinem Königreich bevorstehen, bemühte sich das Königshaus um den Aufbau diplomatischer Beziehungen mit dem Ausland. Bereits 1971 trat Bhutan den Vereinten Nationen bei. Der König sah dies als einzige Möglichkeit, dass Überleben seines kleinen Landes zu sichern.

Bhutan passt sich der Welt an

Nachdem Jigme Dorij, der seit jungen Jahren mit einem Herzleiden kämpfte, am 21. Juli 1972 verstarb, bestieg sein Sohn Jigme Singye als 4. König Bhutans den Thron. Er sollte sein Land dramatisch verändern, indem er die moderate Modernisierung seines Vaters stark beschleunigte. So trat man weiteren internationalen Organisationen bei, die Bindung an Indien wurde verstärkt und er startete den Übergang von einer absoluten Monarchie hin zu einer konstitutionellen Monarchie.

Erstmals wurden politische Parteien zugelassen. Viele waren damit unzufrieden. Man befürchtete, dass politische Parteien die Menschen spalten und das bhutanische Lebensmodell der Einheit und Ruhe zerstören würden. Auch führte er 1999 z.B. Fernsehen und Internet in Bhutan ein. All dies führte zu Problemen für Bhutan und einem zunehmenden Verschwinden des traditionellen Lebensstils.

Bild König Jigme Khesar mit Königin Jetsun Pema
König Jigme Khesar mit Königin Jetsun Pema

Seit 2006 regiert sein ältester Sohn Jigme Khesar und setzt den unter seinem Vater begonnenen Weg fort. So führte er ein nationales Kataster für Bhutan ein und erneuterte den Freundschaftsvertrag mit Indien 2007. Am 1. November 2008 feierte man mit einer pompösen Krönungszeremonie offiziell das 100-jährige Bestehen der Monarchie.

Die Monarchie ist in der Bevölkerung weiterhin extrem beliebt. Auch in den umliegenden asiastischen Ländern erfreut sich insbesondere das junge Königspaar großer Beliebheit. Bhutan sucht weiter Anschluss an die geopolitischen Entwicklungen, seit das Land Frieden und Ruhe mit seiner Monarchie fand. Und das Letzte, was die bhutanischen Könige für ihr Land wollten, war das Schicksal Tibets oder Sikkims erdulden zu müssen, während der Rest der Welt debattierend zusieht.

Kaiserin Maria Theresia von Österreich

kaiserin-maria-theresiaHinter jedem starken Mann, steht bekanntlich eine starke Frau. So will es der Volksmund wissen. Im Fall von Kaiserin Maria Theresia war es genau umgekehrt. Geboren wurde die Habsburgerin als Erzherzögin Maria Theresia am 13. Mai 1717 in Wien. Ihr Vater Karl VI. war der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, die Mutter Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Der fehlende Sohn und die Pragmatische Sanktion

Ihr Vater Karl VI. hatte zeitlebens auf die Geburt eines Sohnes gehofft. Doch er sollte keinen männlichen Erben bekommen. In seiner Verzweiflung die Dynastie zu erhalten und seiner Tochter den Thron zu sichern, wurde die „Pragmatische Sanktion“ verfasst. Darin war unter anderem festgeschrieben, dass Maria Theresia die Erbin des Habsburger Imperiums sei und ihre Rechte und ihr Territorium zu respektieren seien. Um die Zustimmung der anderen gekrönten Häuptern Europas zu seiner Pragmatischen Sanktion zu erhalten, investierte Karl VI. hohe Geldsummen.

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Kaiserin Maria Theresia hoch zu Ross

Bedauerlicherweise hatte seine Pragmatische Sanktion nie den Effekt, den der Kaiser sich wünschte. Das Geld wäre vermutlich besser in der österreichischen Armee angelegt gewesen, als in den Kassen seiner Nachbarn. Worauf Prinz Eugen von Savoyen den Kaiser sogar damals schon hinwies.

Als Kaiser Karl VI. im Jahr 1740 schließlich überraschend jung verstarb, hinterließ er einen fast bankrotten Staat und eine Tochter, die niemals wirklich auf ihre Aufgabe als Kaiserin vorbereitet worden war. Wer sich die Aufzeichnungen der damaligen „aufgeklärten Monarchen“ und ihr ausschweifendes Leben, ihr Kampf gegen die Religion und die Zentralisierung der Macht in ihren Händen ansieht, wird wenig überrascht sein, dass der Wortbruch schon kurz auf des Kaisers Tod folgte.

Der Wortbruch der Nachbarn

Karl VI. lag kaum kalt in seinem Sarg, da fiel Friedrich der Große von Preußen schon mit einer 30.000 Mann starken Armee im damals österreichischen Schlesien ein. Ihm, dem vermutlich größten Heerführer jener Zeit, stand die 23-jährige Kaiserin Maria Theresia gegenüber. Fromm, aber völlig unerfahren. Es ist anzunehmen, dass sie auf Friedrich den Großen keinen großen Eindruck machte und er sie für unfähig hielt, was sich später jedoch ändern sollte.

Zu allem Übel mischten auch die Briten auf dem Kontinent mit, indem sie die preußischen Gebietsforderungen in Schlesien unterstützten. Die Franzosen ihrerseits unterstützten Karl Albrecht, Graf von Bayern, in seinem Anspruch auf den österreichischen Thron. Dieser war mit Maria Amalie von Österreich verheiratet, der jüngsten Tochter von Maria Theresias Onkel Joseph I.

Auch Friedrich August von Sachsen wollte aufgrund verwandschaftlicher Beziehungen die Habsburger Ländereien für sich und sogar Philipp V. von Anjou meldete als Erbe der erloschenen spanischen Linie der Habsburger Anspruch an. Der so genannte österreichische Erbfolgekrieg zeichnete sich am Horizont ab.

Eine ausweglose Lage?

Dazu kam mangelndes Vertrauen ihres eigenen Hofes in die junge Maria Theresia. Man riet ihr, den Forderungen Friedrichs von Preußen nachzugeben und Schlesien abzutreten. Doch Maria Theresia dachte gar nicht daran. Doch wer konnte ihr in dieser Lage helfen? In ihrer Not wandte sie sich an die Ungarn. In einem Akt der Tugend, der das Herz jedes Magyaren mit Stolz erfüllen sollte, trotzten die Ungarn der aussichtslosen Lage und kamen ihr mit enthusiastischer Loyalität zur Hilfe. 1741 wurde sie zur Königin Ungarns gekrönt.

Ermutigt durch die Unterstützung der Ungarn schrieb die Kaisern dem britischen Botschafter in einem Brief:

„Nicht nur aus politischen Gründen, sondern auch aus Gründen des Gewissens und der Ehre bin ich nicht bereit Schlesien abzugeben. Sobald ein Feind zufrieden ist, wird der nächste Feind aufbegehren. Und noch einer. Und noch einer will beschwichtigt werden. Und alles auf meine Kosten.“

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Franz Stefan von Lothringen

Kaiserin Maria Theresia machte damit klar – wenn die europäischen Nationen ihre Ländereien wollen, dann nicht ohne Kampf. In den Folgejahren sollte sich die Kaiserin den Respekt und die Anerkennung Europas erkämpfen. Österreich wurde zur Großmacht. Maria Theresias Ehemann, Franz Stefan von Lothringen wurde zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Auch wenn de-facto Maria Theresia die Herrschaft ausübte, während ihr Gemahl sich der Verwaltung der Dynastie widmete.

Die Ehe der beiden gilt heute als Musterbeispiel einer glücklichen royalen Verbindung. Bis an ihr Lebensende waren sich beide tief verbunden. Und sicherten das Überleben der Habsburger Linie, indem sie 16 Kinder hatten. Allerdings erlebten nur 9 von ihnen das Erwachsenenalter.

Die Kaiserin setzte als tiefreligiöse Katholikin auch ein moralisches Beispiel in einer Zeit, in welcher der Rest Europas begann, unter dem Einfluß der „Aufklärung“ den Ideen einer nationalistischen Tyrannei anheim zu fallen.

Die Reformen der Kaiserin

Die kaiserliche Familie
Die kaiserliche Familie

Maria Theresia ist für die Sorge um ihre Untertanen bekannt. Mehrmals zog sie in Verkleidung los und mischte sich unter ihr Volk, um den wahren Zustand ihres Reiches in Erfahrung zu bringen und die ehrliche Meinung ihrer Untertanen zu hören.

Während ihrer Regierungszeit verbesserte sich die Lebenssituation der Menschen und die Wirtschaft Österreichs erheblich. Sie kürzte Steuern für die Armen und besteuerte – zum ersten Mal in der österreichischen Geschichte – den Adel. Sie baute ein starkes und effektives Militär auf, so dass Österreich sich zu verteidigen wusste.

Das Justizwesen wurde reformiert und ein Höchstgericht geschaffen, das mit der Aufrechterhaltung des Rechts für die österreichischen Lande beauftragt war. Sie verbesserte das Bildungswesen und ermöglichte vielen Armen erstmals den Zugang zu Bildung. Die Kaiserin beschnitt auch das Recht der Großgrundbesitzer und erlaubte Bauern den Landbesitz, statt es zu pachten und der Gnade des Landadels ausgeliefert zu sein. Auch suchte sie verfolgte Katholiken zu schützen.

Die Familie feiert Sankt-Nikolaus-Tag
Die kaiserliche Familie feiert Sankt-Nikolaus-Tag

Als sich ihr Sohn Joseph II. und später sogar der Papst gegen die Jesuiten wandten, fanden sie beispielsweise insgeheim bei der Kaiserin Schutz. Den armenisch-katholischen Mechitaristen schenkte sie in Wien ein Kloster, das heute noch besteht und maßgeblich zum Erhalt armenischer Sprache und Kultur beitrug. Auch zur griechisch-katholischen Kirche pflegte sie exzellente Kontakte.

Ihre anfängliche Judenfeindlichkeit (die sogar in Aussiedlungsplänen gipfelten) legte sie mit den Jahren mehr und mehr ab. Dies insbesondere als der jüdische Höfling Abraham Mendel Theben an ihren Hof kam, dem sie stets mit Hochachtung begegnete. Maria Theresia verbot 1762 die Zwangsbekehrung und ein Jahr darauf die Eintreibung von Stolgebühren bei Juden.

Bündnis mit den verhassten Franzosen

Im Siebenjährigen Krieg nahm Österreich auf Seiten der Franzosen und Russen gegen Preußen, Briten und Portugiesen teil. Schlesien wurde zeitweise zurückerobert, nur der Regierungswechsel in Russland ersparte Friedrich dem Großen eine schmachvolle Niederlage. (Peter III. war ein Bewunderer des preußischen Königs) Kaiserin Maria Theresia war verärgert über die Verluste Frankreichs im Krieg, insbesondere der Kolonien in Nordamerika. Zumindest Österreich musste keine ernsthaften Territorialverluste hinnehmen. Unter einer schwächeren Führung hätten die Habsburger womöglich wesentlich höhere Verluste erlitten.

Der preußische Botschafter am Wiener Hof, Graf Podewil, beschreibt Maria Theresia zu jener Zeit in einem Brief an König Friedrich den Großen:

Sie besitzt, wie Sie wissen, einen unbändigen Hass auf Frankreich, mit denen es ihr schwer fällt, gute Beziehungen zu unterhalten. Sie kontrolliert diese Leidenschaft, außer wenn es zu ihrem Vorteil ist, sie zu zeigen. Sie verabscheut Euer Majestät, aber erkennt Eure Fähigkeiten an. Sie kann den Verlust Schlesiens und ihre Trauer über die verlorenen Soldaten in Kriegen mit Euer Majestät nicht vergessen.

Kaiserin Maria Theresia war so wagemutig und von starkem Willen beseelt, dass sie einmal zugab, sie wäre am liebsten selbst zu den Schlachtfeldern gefahren und hätte ihre Truppen persönlich angeführt, wäre sie nicht andauernd schwanger gewesen. (zur Erinnerung: 16 Kinder!) Als Russland und Preußen die Aufteilung Polens beschlossen, stimmte die Kaiserin dem nur widerwillig zu.

Kaiserin gegen den Trend ihrer Zeit

Die Kaisern im Alter
Kaiserin Maria Theresia im Alter

Sie war eine eindrucksvolle Frau und Kaiserin, in jeder Beziehung. Damit stand sie in scharfem Kontrast zu anderen Herrschern ihrer Zeit. Während andere „aufgeklärte“ Häupter im Ausland mit eiserner Faust herrschten, erwarb sich Maria Theresia die Loyalität der Menschen durch wohlwollende Politik und eine Verbesserung ihrer Lebenssituation.

Während andere Monarchen des 18. Jahrhunderts einen ausschweifenden Lebensstil mit Skandalen und Morden führten, war Maria Theresia ein Paradebeispiel für eine christliche Herrscherin und loyale Tochter der Kirche. All jene Herrscher, ob Friedrich der Große oder Katharina die Große, hatten ihre persönlichen Talente und Erfolge, die man anerkennen muss. Aber Maria Theresia gab ein tugendhaftes Beispiel für einen klugen Monarchen, der mit Weisheit und Anteilnahme am Leben seiner Untertanten sein Land regiert.